Nachrichten aus Ponarth

Zwei Mitglieder meiner Vorfahren-Familien – aus Familie Ankermann und Familie Steinort – heiraten zu unterschiedlichen Zeiten in die Ponarther Schulzen-Familie Lemke (frühere Schreibweisen Lemcke – Lembke) ein. Deshalb habe ich mich während der vergangenen Tage ein wenig intensiver mit dieser Familie beschäftigt.

Ponarth – Schiefferdeckers Eisenbahnschlösschen – Quelle: Brauer im Osten

Pfarrer Anton Wormit – der letzte Pfarrer der Haberberger Gemeinde in Königsberg, zu der auch die Bewohner von Ponarth (die meiste Zeit über) gehören – hat einige hilfreiche Namensregister der Kirchenbücher erstellt – u.a. ein ‚Alphabetisches Taufregister‘ aus der Zeit von 1601 bis 1670, das er allen Familienforschern ‚mit der Mahnung zu vorsichtigem Gebrauch‘ widmet.

Ich habe diese Register benutzt und einiges über Familie Lemke herausfinden können, aber nun gebe ich auf – mein Kopf schwirrt von all den Lemckes, die in der Kirche auf dem Haberberg getauft werden und dort heiraten! Natürlich nicht nur aus dieser Schulzen-Familie – der Name Lemke kommt ziemlich häufig vor!

Alle anderen Informationen zur Geschichte des Dorfes und zur Familie Lemke stammen aus diesem Buch von Ernst Hartmann. Es wurde digitalisiert und ist hier zu finden!

Ernst Hartmann – Die Geschichte des Dorfes Ponarth bei Königsberg

Vorweg dies: nach der Reformation gehören die Bewohner des Dorfes Ponarth – neben Seligenfeld, Schönfließ, Speichersdorf und Aweyden – zum Kirchspiel Seligenfeld (Seeligenfeld). Die Ponarther wehren sich mehrfach gegen diese Zugehörigkeit – die große Entfernung und der mühsame Weg machen ihnen zu schaffen. Der Weg von Ponarth nach Seligenfeld sei beschwerlich und nicht ohne Lebensgefahr.

Auf dieser Karte sieht man, dass vom Dorf Ponarth nach Seligenfeld ein ziemlich weiter Weg zurückgelegt werden muss!

Die Pfarrer von Seligenfeld beschweren sich immer wieder über ‚der Pönarther halsstarrige Widerspenstigkeit‘: die Ponarther seien verpflichtet, für die Kirche zu scharwerken, würden aber nicht erscheinen. Doch auch die Pfarrer von Seligenfeld werden von der Landesherrschaft ermahnt – es wird ihnen u.a. vorgeworfen, sie seien ausschließlich an den Abgaben der Ponarther interessiert, um ihre persönlichen Einnahmen zu vergrößern.

Die Auseinandersetzungen gehen hin und her – detailliert ist das ganze ‚Theater‚ in der o.g. Geschichte von Ponarth nachzulesen. Irgendwann einigt man sich: die Ponarther Bewohner dürfen wunschgemäß bei der Haberberger Kirche bleiben – kirchliche Abgaben müssen sie jedoch über lange Zeit weiterhin an die Kirche von Seligenfeld zahlen.

Quelle: Wikimedia

Für die Familienforschung bedeutet dieses Hin und Her: aufgrund dieser engen Verbindung beider Kirchspiele macht es Sinn, bei Recherchen nach Ponarther Bewohnern bzw. Bewohnern des Seligenfelder Kirchspiels sowohl im Kirchenbuch von Seligenfeld als auch im Kirchenbuch der Haberberger Gemeinde zu stöbern!

Im Jahre 1600 wird Ponarth von der Landesherrschaft der Stadt Löbenicht als Kämmereidorf übergeben. An der Spitze des Dorfes steht der Schulze – er ist der Landesregierung und dem Rat von Löbenicht verantwortlich. Das Amt vererbt sich normalerweise auf den ältesten Sohn – falls dieser beim Ableben des Vaters noch unmündig ist, wird das Amt zwischenzeitlich von einem Interimsschulzen ausgeübt.

Abfolge der Ponarther Schulzen:

  1. Caspar Lemcke + nach 1613
  2. Jacob, des Schulzen Sohn oo 1603 Elisabeth, Witwe von Andreas Hermans (Germans?)
  3. Albrecht Lemcke, Jacobs Sohn
  4. Friedrich Lemcke +um 1675 – seine Witwe Dorothea oo Michel Kunter, der das Schulzenamt zwischenzeitlich übernimmt. Er stirbt 1698
  5. es folgen Friedrichs Söhne Albrecht u. Friedrich
KB Haberberg 1603

Der Löbenichter Rat erteilt das Schulzenamt Friedrichs zweitältestem Sohn Albrecht – Friedrich, der älteste, sei nicht geeignet ‚er habe albereits über 27 Jahr von dem Land-Leben sich abgegeben‘, denn die Eltern gaben ihn im 16. Lebensjahr zu einem Bäcker auf dem Steindamm und später zu einem Fleischer in die Lehre, denen er aber mehrmals entlaufen sei. Dann habe er Rotgerber gelernt und ‚verschiedene Jahre auf sein Handwerk gereyset‘, bis er Meister auf dem Sackheim wurde. Neben der Rotgerberei habe er ‚bald durchs Brandwein-Brennen sein Brod gesuchet, bald das Grützemachen vorgenommen. Das Haus, das er sich auf dem Sackheim für 200 Floren gekauft habe, sei … bereits mit 3600 Floren Schulden beschwert.‘ (nach Ernst Hartmann)

Friedrich Lemke lässt es auf einen Prozess ankommen und bittet die Regierung am 21.April 1704, ihm einen Advocaten zur Hand zu geben. Oberburggraf, Kanzler u. Obermarschall willigen ein und befehlen, den Schulzensohn vor Gericht zu hören und ‚nach Recht zu verfahren‘. Er erhält den Advocaten Nagel zugesprochen, der ihm die erforderlichen Dokumente besorgt – die Schulzenhandfeste von 1328!

Gegen Ende des Prozesses reichen die Ponarther noch das Original eines 1680 ausgestellten Geburtsbriefes für Friedrich ein, durch den der Rat Löbenicht mit Unterschrift und Sigel beurkundet hatte, dass der ‚Ehrbare Friedrich Lembke‘ aus reinem und unbefleckten Ehebette stamme und ‚niemandem mit Leibeigenschafft verbunden und also freyer deutscher Arth und Zungen an diese Welt gebohren sei‘. Peter und Hans Schultz hätten mit entblößten Häuptern, erhobenen Armen und aufgerichteten Fingern‚ seine Abkunft von Friedrich Lemke sen. beschworen.

Friedrich Lemke gewinnt den Prozess, Albrecht wird abgesetzt und Friedrich wird Schulze von Ponarth. Entscheidend für den Ausgang des Prozesses war sicherlich auch, dass sich Albrecht, der bis dahin die Schulzengeschäfte geführt hatte, inzwischen aufgrund seines pietätlosen Verhaltens der Mutter gegenüber die Sympathie des Löbenichter Rats verscherzt hatte. Am Bußtage des Jahres 1704 war er vor die Mutter getreten, um ihr das ‚Scharwerk selbsten anzusagen‘. Er hatte ihr eine Strafe von 20 Mark angedroht, wenn sie die von ihm angeordneten Holzfuhren nicht leisten würde. Albrechts Mutter weigerte sich, da sie – laut Verschreibung des Schulzenguts – kein Scharwerk verrichten müsse. Daraufhin nimmt ihr ein Stadtdiener einen großen kupfernen Kessel von 3/4 Tonnen. Witwe Lemke wendet sich mit einem Brief an den König und der Kessel wird ihr wieder ausgehändigt!

Bis um 1748 bleibt die männliche Linie der Lemke durch Erbrecht im Besitz der Schulzenwürde – 1734 wird Gottfried Lemke als Schulz genannt.

Ausschnitt aus dem Buch von Ernst Hartmann – 1734

Gottfried Lemke verstirbt im Jahre 1751 – als neuer Schulz wird Heinrich Korsch vorgeschlagen, der das Schulzenamt bereits einige Jahre langausgeübt hatte. Der Magistrat wählt jedoch Michael Korsch, Heinrichs Bruder, der mit einer Enkelin des Schulzen Albrecht Lemke verheiratet ist.

Am 14.4.1751 wird Michael Korsch als neuer Schulz bestätigt. Er übt das Amt fast 10 Jahre aus, dann verstirbt er. Die Witwe bittet um einen Assistenten, bis ihre Kinder erwachsen seinen – die Schulzenwürde müsse ja in der Familie Lemke bleiben! (Die Witwe ist Anna Dorothea Dannenberg, eine Tochter von Michael Dannenberg, Eigentümer u. Schulz im Nassen Garten und Ehefrau Catharina Dorothea Lemcke).

Das Schulzenamt übernimmt nun der 24jährige Lorenz Steinort, indem er 1778 die Witwe Anna Dorothea Korsch, geb. Dannenberg, ehelicht. Nach ihrem Tod im Jahre 1788 heiratet Lorenz Steinort in 2. Ehe Eleonora Dorothea Matz, eine Tochter des Ponarther Kölmers Christian Heinrich Matz. Noch 1830 wird Lorenz Steinort als Schulz in Ponarth genannt.

Heiratseinträge aus dem Haberberger Kirchenbuch

KB Haberberg 1693 – Michael Steinorth, bishero gewesener Schultheiß in Schönflies, de seel Peter Stein-Orth, gleichfals Schultzen in Schönfließ hinterlaßener Sohn, welcher sich auch daselbst aufhelt, mit Frau Anna Seel. Michael Korschen, gewesenen Mitnachbahrn u. Ackermanns in Pennart hinterlaßene Wittibe.
KB Haberberg 1693 – Albrecht Lemcke, ein junger Gesell, Friedrich Lemcke, bestelltem Schulzen zu Penarth Eheleibl. Sohn, mit Frau Catharina, Seel. Albrecht Korschen, Einwohners u. Mitnachbars zu Penarth nachgelaßene Witwe
KB Haberberg – 1697/36 Christoph Lemcke, Christoph Lemcken, Einwohners u. Mitnachbahrs zu Ponarth ehel Sohn mit J. Elisabeth, seel. Peter Maacken, gewesenen Flachsbinders nachgel. eheliche itzo Christoph Dannenbergs, Schalknechts liebe Pflegetochter
KB Haberberg 1699 – Michael Steinort, Cöllmischer Erbsaß zu Penath, mit J. Maria, Seel. Christoph Lemcke, auch gewesenen Cöllmischer Erbsaßen zu Penarth nachgelaßene ehel. Tochter hir copuliret Dnica 13. p. Trinit.
KB Lichtenhagen – Michael Lemcke, ein junger Gesell, seel. Christoph Lemcken, gewesenen cöllm. Erbsaßen in Penart nachgel. ehel. Sohn, mit J. Barbara, Michael Schlichten, geschwornen Schultheißen in Lichtenhagen eheleibl. Tochter, cop. den 10. October 1707 in Lichtenhagen
KB Haberberg 1707 – Michael Korsch, ein junger Gesell, Seel. Michael Korschen, Cöllm. Erbsaßen in Penarth nachgelaßener ehel., ietzo Michael Steinorths, ebenso Cöllm. Erbsaßen daselbst lieber Pflege Sohn, mit J. Maria, Seel. Jann Henrichs, Eigenthümers u. Mitnachbahrs zu Schwansdorff im Marienburgschen Werder nachgel. Ehel. ietzo Martin Gruse, auch Eigenthümer u. Einwohner daselbs liebe Pflegetocher d. 6. Octobert à me copulati.
KB Haberberg 1715 – Peter Lemcke, ein junger Gesell, seel. Christoph Lemcken, Cöllm. Erbsaßen in Penartehn eheleibl. Sohn, mit J. Anna, Michael Steinorthen, auch Cöllmischen Erbsaßen daselbst eheleibl Tochter
KB Haberberg 1718 – Albrecht Lemcke, Sohn v. Albrecht, Cöllm. Schulzen oo Catharina Elisabeth Richau, To von Christian Richau, Freicöllmer in Legnitten; Gerichtsgeschworener
KB Haberberg 1718: Gottfried Lemcke, Sohn v. Albrecht, Cöllm. Schulzen oo Maria Roß, To von Christoph R., Freicöllmer in Patersort
KB Haberberg 1720 – Friedrich Lembke, Schaalbelehnter im Kneiphof, Albrecht Lembken, gewesenen Freyschultzen in Pennart, mit Frau Anna, Martin Brauers, gewes. Schaalbelehnten hinterl. Witwe
KB Haberberg 1720 – Meister Johann Neumann, Festbäcker in unserer Vorstadt, Mr Christoph Neumanns, Bürger u. Festbäcker daselbst, mit J. Maria Lembke, Albrecht Lembke, Frey Schultz in Pennart ehel. Tochter
KB Haberberg 1727 – Christian Lemcke, Albrecht Lemcken, Schultzen von Pennnart eheleibl. Sohn, mit Fr. Anna, seel. Greger Rudloffs?, Eigenthümers v. Nassengarten nachgel. Witwe
KB Haberberg 1730 – Gottfried Lemcke, Schultz in Ponarth mit J. Dorothea, Martin Jester, Cöllmischen Freien in Preußisch Bahnau ehel Tochter
KB Haberberg 1751 – Jacob Anckermann, Cöllmischer Erbsaaß in Pinnarth (= Ponarth) mit Jungfer Regina Lemckin d. 9. Juny 1751
KB Haberberg 1769 – Michael Korsch, Eigent. und Schult in Ponarten, annoch Junggesell, 27, mit Jgfr. Anna Dorothea Dannenbergin, 23, auf Königl. Concession zu Hause copuliret d. 3ten Juli
KB Haberberg 1777 – Heinrich Korsch, Eigenth. u. Junggesell (in Ponarth), 29, ist nach vorgezeigtem ordentlichen Abschiede v. H. General Major u. ? von Anhalt mit seiner Braut Maria Lovisa geb. Kleinin, 25, d. 7. Nov. cop.
KB Haberberg 1778 – Lorentz Steinorth, ein Junggesell u. zukünftiger Cöllmer u. Schultz (in Ponarth), 24, mit Frau Anna Dorothea Korschin, 30. (= Anna Dorothea Dannenberg, Tochter von Michael Dannenberg, Eigentümer u. Schulz im Nassen Garten u. Catharina Dorothea Lemcke) – s.o

Weitere Beiträge zu Ponarth:

Eine Dorfordnung (Willkür) aus dem Jahre 1537

Die kölmischen Gutsbesitzer in Ponarth

‚Ich verbiete jede Collation‘ – Ponarth 1809

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4 Antworten zu Nachrichten aus Ponarth

  1. Frank Steinau sagt:

    Wieder einmal ein toller Bericht – ganz genial recherchiert und auch so lebendig umgesetzt – man hat das Gefühl, als ob man dabei gewesen wäre. Danke! GLG Frank

  2. Frank Marquardt sagt:

    Hallo. Vielen Dank für diesen interessanten und ausführlichen Bericht. Mich würde sehr interessieren, wie ich das Namensregister von Anton Wormit für Haberberg finden kann. LG, Frank Marquardt.

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