Im Alter von 9 Jahren aus dem Haus gegeben …

Über Kinderarbeit, die seit Jahrhunderten und bis zum heutigen Tage in vielen Regionen der Welt stattfindet, habe ich viel gehört und gelesen. Immer wieder wurden Versuche unternommen, Kinderabeit zu verbieten – dennoch gibt es sie noch heute. Es wurden Gesetze verabschiedet, die Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben untersagen, aber der Kinderarbeit auf dem Lande wurde kaum Aufmerksamkeit geschenkt.

Ländliche Kinderarbeit fand und findet nicht nur in entlegenen Teilen der Welt statt! Auch unsere Vorfahren – in Ostpreußen und anderswo – kannten solche Kinderarbeit und wenn man sich mit den Lebensumständen der Ahnen beschäftigt, kann man dieses Thema nicht aussparen..

In einem Aufsatz über ‚Landwirtschafliche Kinderarbeit‚, der 1925 in der Zeitschrift ‚Die Frau‚ erschien, schreibt Anna Pappritz: ‚Aus Ostpreußen berichtet ein Kreisarzt: „Die Kinder müssen mit ihren Angehörigen im Sommer 15 Stunden arbeiten“. Ein Lehrer: „Arbeit ab 7 Uhr morgens auf dem Felde, so lange es hell ist; bei Laternenlicht geht es dann im Hause weiter: Kartoffleschälen, Rübenschneiden, Wassertragen.“

Erstmals habe ich bei der Durchsicht von Dokumenten aus dem Kreis Pr. Eylau einen schriftlichen Vermerk darüber gefunden, dass Kinder von Landarbeitern wirklich schon in sehr frühem Alter aus dem Haus gegeben wurden, um mit für den Lebensunterhalt der Familie zu sorgen. Und obwohl ich dies eigentlich wusste, habe ich mich erschrocken …

Traditions=Recess derer sämtl. Graventhien=
schen Güther an den Pfandnehmer Herrn Krieges=
Rath Balthasar Philipp Genge
.
Actum Graventhien vor dem Haupt-Ambt Brandenburg
den 13ten Juli 1750
Graventhien im Kirchspiel Schmoditten

Bei der Übergabe der Graventhienschen Güter an den Kriegsrat Balthasar Philipp Genge am 13. Juli 1750 werden sämtliche Untertanen aus Graventhien und Pieskeim namentlich aufgeführt.

Die zu denen im Haupt-Ambt Brandenburg gelegenen Güthern
Graventhien und Pieskeim gehörige Unterthanen wären folgende, und
zwar in Graventhien:

Auch der Instmann Evert, seine Ehefrau Maria und ihre 5 gemeinsamen Kinder gehören zu dieser Zeit zu den Untertanen des Gutes Graventhien. Allerdings lebt nur der kleine Martin, der um 1744 zur Welt gekommen sein muss und 1750 erst 6 Jahre alt ist, bei seinen Eltern. Bis auf diesen kleinen Sohn wurden alle Kinder aus dem Haus gegeben:

  • Gottfried Evert 18 Jahr dienet im Hofe zu Pieskeim
  • Catharina 15 Jahr dienet im Schmodittschen Nieder-Kruge
  • Michael 9 Jahr dienet bey dem Hirten zu Pieskeim
  • Maria 9 Jahr dienet in Klein Dexen beym Rockel
  • Martin 6 Jahr ist zu Hause

Unglaublich! Michael und Maria Evert sind erst 9 Jahre alt!

Ich frage mich, ob auch einige meiner eigenen Vorfahren ihre Kinder zum Arbeiten aus dem Haus gaben … ? Da aber unter meinen Ahnen kaum Instleute zu finden sind, gehörten sie vielleicht eher zu jenen, die diese Kinder beschäftigten und ausnutzten. Das mag ich mir kaum vorstellen!

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort zu Im Alter von 9 Jahren aus dem Haus gegeben …

  1. Verena Niehe sagt:

    Ich bin beeindruckt von diesen Informationen. Man mag sich gar nicht vorstellen unter welchen Bedingungen diese doch jungen Kinder leben mussten. Ist ja schon schlimm genug, dass sie weggeschickt wurden von zuhause. Meine Vorfahren waren Inst-Leute aus Westpreußen, wo es sicher auch nicht anders zuging, als in Ostpreußen. Ich würde gerne mehr über Westpreußen und das Schicksal der Inst-Leute erfahren. Wo gibt es hierfür geeignete Quellen?

Schreibe eine Antwort zu Verena NieheAntwort abbrechen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.