Einige dieser Ortsnamen hatte ich nie zuvor gehört – nun weiß ich, dass in Pinnewitz – Deila – Altbelgern und Graditz während des 18. Jahrhunderts eine Reihe meiner sächsischen Vorfahren lebten! In den vergangenen Wochen habe ich mich endlich einmal näher mit ihnen beschäftigt. Wegen meiner Leidenschaft für das ostpreußische Natangen und meiner jahrelangen Beschäftigung mit dieser Region hatte ich sie bisher ziemlich vernachlässigt.
Meine Leidenschaft für Ostpreußen wird nie enden, aber auch meine sächsischen Vorfahren haben sicherlich in einer wunderschönen Gegend gelebt. Hier bin ich noch nie gewesen -nicht einmal in Dresden, was ich sehr bedauere. Aber immerhin bin ich bis ins Leipziger Staatsarchiv gekommen!
Es sind nicht nur neue Ortsnamen, an die ich mich gewöhnen muss und will. Eine bislang unbekannte Vorfahren-Gegend kennen zu lernen, bedeutet für mich auch, sich mit der Geschichte der Orte zu befassen, in denen sie wohnten und die Lebenswege der ‚neuen‚ Ahnen zu erkunden!
Meine sächsischen Ahnen gehören in die Linie der Vorfahren von Caroline Auguste geb. Müller, meiner Großmutter väterlicherseits. Ihr Großvater – mein Ur-Ur-Großvater – Carl Friedrich August Müller kommt 1818 in Torgau an der Elbe zur Welt, verlässt seine Heimat gemeinsam mit einem jüngeren Bruder und heiratet 1847 in Bremen-Blumenthal Wilhelmine Friederike Bischoff aus Hoya.
Hier sieht man die beiden:
Carls Eltern, der Zimmermann Friedrich August Müller und Johanna Christiana Sophia Philipp heiraten am 1. September 1818 in der Torgauer Stadtkirche St. Marien.
Ihr Heiratseintrag aus dem Kirchenbuch der Marienkirche
Friedrich August Müller, Zimmermann allhier, Johann Samuel Müllers, Elbschiffmühlenbesitzers u. Einwohners in Großtreben ehel. ältester Sohn u. Johanna Christiana Sophia Philippin, Johann George Philipps, Einwohners u. Brauers allhier ehel. älteste Tochter. / Sponsus ist 30 1/2 Jahre u. Sponsa 23 Jahre alt / sind am 1. Sept. in der Stadtkirche …. in der Donnerstagstrauung getrauet worden.
Die Kirchenbücher von Großtreben unweit von Torgau, in der Familie Müller im 18. Jahrhundert lebte, wurden noch nicht digitalisiert. Darauf warte ich nun, um vorherige Generationen dieser Familie aufspüren zu können.
Aber mit der Geschichte der Stadt Torgau konnte ich mich bereits beschäftigen. Die Marienkirche (auch Stadtkirche genannt), in der all meine Torgauer Vorfahren getauft wurden oder ihre Hochzeiten vollzogen, ist die Hauptkirche der Stadt und die Begräbnisstätte von Luthers Frau Katharina.
Bildquelle: By Radler59 (talk) – Self-photographed, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=137209289
Torgau war als Residenz der sächsischen Kurfürsten ein politisches Zentrum im Kernland des Protestantismus. Martin Luther predigte häufig in der Marienkirche. Seine Frau Katharina von Bora fand hier ihre letzte Ruhestätte. Der Reformator und die entflohene Nonne hatten 1526 geheiratet. Katharina wurde zu einer engen Gefährtin und wichtigen Stütze ihres Mannes. Als Ehefrau Luthers führte sie in Wittenberg einen großen Haushalt, verköstigte und beherbergte europäische Geistesgrößen, Glaubensflüchtlinge, Kranke und Pflegekinder. Täglich sollen das 30 bis 50 Personen gewesen sein. Als 1552, nachdem Martin Luther bereits gestorben war, in Wittenberg die Pest ausbrach, zog sich seine Witwe für einige Monate nach Torgau in das Franziskanerkloster zurück. Dort starb sie infolge eines Unfalls mit ihrer Kutsche noch im selben Jahr. In der Marienkirche erinnert ein Grabstein an „die Lutherin“. Darauf ist sie in Lebensgröße dargestellt: gekleidet in Witwentracht liest sie die Bibel.
Text und Bildquelle: https://www.denkmalschutz.de/denkmal/st-marienkirche-torgau.html
Das obige Taschenbuch für Reisende, in dem u.a. auch die Stadt Torgau beschrieben wird, wird 1826 veröffentlicht. Familie Müller wohnt zu dieser Zeit in der Torgauer Rittergasse. Diese Adresse wird im Kirchenbuch angegeben, da einige der neun in Torgau geborenen Müller-Kinder eine Haustaufe erhalten.
Beide Kartenausschnitte stammen aus einer Handzeichnung von Carl Tilling, die nach 1791 angefertigt wurde. (Quelle: Staats- u. Universitätsbibliothek Dresden)
Die ‚Rittergasse‚ existiert noch heute, allerdings heißt sie nun ‚Ritterstraße‚. Auf diesem Ausschnitt erkennt man, dass die Familie nicht weit gehen musste, um – vorbei an der Marienkirche und am Schloss Hartenfels – ans Ufer der Elbe zu gelangen.
Über die in Sachsen gebliebenen Geschwister konnte ich Folgendes herausfinden: Friederike Caroline Müller heiratet 1849 in Torgau den Maurer Carl Hermann Leppchen (auch Leppchen oder Läpgen geschrieben) – Johann Friedrich August Müller wird Schuhmachermeister in Brück (Kreis Zauch-Belzig), er ist dort zunächst verheiratet mit Johanne Sophie Lorentz u. anschließend mit Luise Henriette Moritz – die 1822 geborene Maria Heinriette Müller wird 1851 die Ehefrau des Torgauer Zimmermanns Wilhelm Ernst Hartmann – Maria Sophia Müller verstirbt 1850 an der Cholera – der 1827 geborene Gottlieb August Müller wird nur einige Monate alt – der jüngste Sohn Friedrich August Müller wird Maurer und heiratet 1864 Johanne Christiane Nitzschke.
Die Mutter der 9 in Torgau geborenen Müller-Kinder – Johanna Christiana Sophia Philipp – kommt 1795 als älteste Tochter des ‚Mousquetiers der Leib-Compagnie des Hochlöblichen von Zanthierschen Infanterie Regiments‘ Johann George Philipp und dessen Ehefrau Johanna Rosina Springefeld in Torgau zur Welt.
Torgau ist eine Garnisonsstadt und das Infanterie Regiment Zanthier, dem Johann George Philipp angehört, ist hier stationiert. So ähnlich wie der Herr auf der rechten Seite dieses Bildes wird er wohl ausgesehen haben. Links sieht man einen Offizier dieses Regiments – rechts einen Mousquetier und im Hintergrund die Stadt Torgau. Nach Beendigung seiner Zeit bei der Armee – ab etwa 1810 – arbeitet Johann George Philipp als ‚Braugehülfe‚ in Torgau.
Das Bild stammt aus dem Buch ‚Die kurfürstliche sächsische Armee um 1791‚ von Reinhold Müller und Wolfgang Rother, Berlin, Militärverlag der DDR 1990
Sowohl Johann George Philipp als auch seine Ehefrau Johanna Rosina Springefeld stammen nicht aus Torgau. Johann George wurde in Pinnewitz bei Meißen geboren – Johanna Rosins Springefeld wächst auf dem Gestüt Graditz auf, wo bereits ihr Großvater Johann Gottfried als ‚Königlicher Kunst- u. Lustgärtner‚ angestellt ist. Darüber werde ich sicherlich noch berichten!