Außer mir hatte offenbar niemand in meiner Familie großes Interesse an der Ahnenforschung – so landeten auch aus meiner weitläufigeren Verwandtschaft viele Fotos und Dokumente bei mir und ich bin immer noch dabei, all diese Materialien auszuwerten. Von Zeit zu Zeit stoße ich dabei auf ungeklärte Schicksale einiger Familienmitglieder – wie im Fall des 1926 in (Bremen-) Lüssum geborenen Curt Friedrich Kröger!
Curts Vater Georg Heinrich Kröger ist ein Bruder meiner Großmutter Anna Lisette. 1921 heiratet er in (Bremen-) Blumenthal Frieda Jachens, die älteste Tochter des Lüssumer Landwirts Christoffer Jachens und dessen Ehefrau Lucie Emerentia Holler, die aus Neuenkirchen stammt.
Frieda und Georg werden sich schon als Kinder gekannt haben – sowohl der ‚Jachens-Hof‘ als auch das Haus der Familie Kröger befinden sich in der Lüssumer Straße. Die Häuser lagen sich fast gegenüber …
Das wunderschöne alte Kröger-Haus existiert leider nicht mehr, aber den Hof der Familie Jachens gibt es noch heute. So wie auf dem obigen Photo sah es dort in meiner Kindheit aus. Auch ich habe hier häufig gespielt – vor allem im Winter war es ein großes Vergnügen, mit dem Schlitten vom Haus aus ‚Jachens-Berg‚ hinunter zu fahren.
Georg Kröger und Frieda bekommen drei Söhne – Curt Friedrich wird 1926 in Lüssum geboren. Auf dem folgenden Bild sieht man ihn mit seinem älteren Bruder Heinrich Christoph (später ‚Dr. Kröger‚ – wie meine Mutter ihren Vetter häufig stolz nannte – für mich war er mein ‚Onkel Heinz‚, dem ich die Einführung in die Ahnenforschung verdanke!)
Curt Friedrich soll (oder will?) Schiffsoffizier werden. Er ist 16 Jahre alt, als sich Vater Georg 1943 an die Nautische Abteilung der Hamburg-Amerika-Linie in Hamburg wendet, um für ihn einen Ausbildungsplatz zum Schiffsoffizier zu bekommen
Als Antwort auf sein Schreiben wird dem Vater im Februar 1943 mitgeteilt: ‚Sehr geehrter Herr Kröger – nach Durchsicht der zahlreich hier eingegangenen Bewerbungen um Einstellung als Schiffsoffizieranwärter bedauern wir, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihr Sohn nicht in den engeren Kreis der Bewerber einbezogen werden konnte.‘ Weiterhin wird angemerkt, dass die Bewerbungsunterlagen weitergeleitet würden.
Am 26. März folgt ein weiteres Schreiben des ‚Deutschen Schulschiff Vereins‚ Bremen. Darin heißt es: ‚In Erledigung Ihres uns nochmal mündlich vorgetragenen Wunsches wegen Annahme Ihres Sohnes als Anwärter für die Schiffsoffizierslaufbahn teilen wir Ihnen mit, dass die Prüfungskommission Ihren Sohn aufgrund seiner Zeugnisse für die Ausbildung auf unserem Schulschiff ‚Deutschland‘ ausgewählt hat. Die Einstellung der angenommenen Jungen erfolgt am 1. April in Lübeck. Dort wird die endgültige ärztliche Untersuchung durch Vertrauensärzte und ebenso die Einkleidung stattfinden.. Das Pensionsgeld sowie das Kleidergeld im Betrage von RM 1150.- bitten wir gleich nach dem 1. April an die Oldenburgische Landesbank … einzuzahlen.‘
Hinzugefügt wird noch dies:
Curt Friedrich Kröger wird also Offiziersanwärter auf dem Schulschiff Deutschland. Die folgenden beiden Fotos zeigen ihn auf dem Schiff und in seiner Uniform. Auf dem zweiten Bild scheint er etwas älter zu sein – aber vielleicht täuscht das?
Offenbar ging es so schnell an Bord, dass Curt den Geburtstag seines Vaters (am 18. Mai) nicht mehr in Lüssum mit der Familie verbrachte. Am 15.6.1943 sendet er seinem Vater vom Schulschiff aus diese Karte:
Lieber Vater!
Zu deinem Geburtstag sende ich dir die herzlichsten Glückwünsche und wünsche dir alles Gute in deinem neuen Lebensjahr. Es grüßt dich recht herzlich dein Sohn Curt. P.S. Ihr könnt ruhig hierher schreiben; denn wann es nach Riga weitergeht(,) ist noch ganz unbekannt. Schickt mir dann bitte etwas Geld und Briefmarken. Schreibt das bitte auch auf den Brief, daß er zurückkommt, falls wir schon fort sind.Absender: Schiffsjunge C. Kröger, S.S. Deutschland z. Zt. Memel Kohlenpier
Trotz dezimierter Stammbesatzung, wurden während des Krieges noch etwa 800 Offiziersanwärter ausgebildet. Am 15. April 1940 wurde „Schulschiff Deutschland“ in die Ostsee verlegt. Wegen zunehmender Luftangriffe kam das Schiff im November 1941 nach Lübeck. Von hier wurden noch bis zum 1. Oktober 1944 Ausbildungsfahrten in der Ostsee durchgeführt.
Am 5. Mai 1945 wurde Lübeck durch englische Truppen besetzt. Um das Schiff nicht nach Kriegsende als Reparation an die Alliierten zu verlieren, hat der damalige Kapitän Otto Hattendorf es als Lazarettschiff eingerichtet. Im August 1946 verholte “Schulschiff Deutschland” auf Weisung der britischen Marine nach Cuxhaven. Hier diente es bis Dezember 1947 als Wohnschiff für die deutschen Minenräumeinheiten. Am 22. Juli 1948 wurde das Schiff in die amerikanische Besatzungszone nach Bremen geschleppt um einer Auslieferung an die Briten zu entgehen. Von 1949 bis 1950 diente es als Jugendherberge. (https://schulschiff-deutschland.de/der-schulschiff-verein/geschichte/)
Nähere Hinweise auf den Verbleib der Besatzung des Schulschiffs – und damit auch auf den Verbleib von Curt Friedrich Kröger – finde ich trotz gründlicher Recherche leider nicht. Was mag aus ihm geworden sein?
Hallo Irmi!
Wieder mal sehr interessant, was du herausgefunden hast. Und ja, solche alten Dokumente sind immer Gold wert. Übrigens, der nicht zu lesende Ort im Absender (z.Zt. ? Kohlenpier) könnte Memel sein. Das L wird vermutlich verdeckt durch den Poststempel und es läge auf dem Weg nach Riga.
Viele Grüße, Sebastian
Dankeschön, Sebastian!
Hallo Irmi, frag doch mal beim Deutschen Schulschiff Verein nach. Die Deutschland liegt jetzt in Bremerhaven (nachdem es jahrzehntelang in Vegesack lag). Die haben auch ein Archiv soviel ich weiß. PS: Memel ist korrekt
LG Thomas
Dankeschön! Ich hab gerade angefragt und bin gespannt, ob sie antworten und Näheres wissen!