Vorbemerkung
In diesem Beitrag geht es nicht um meine eigenen Forschungsergebnisse, sondern um die ostpreußischen Vorfahren von Steffi (Stephanie) Schühle.
Steffi und ich lernten uns vor etwa 15 Jahren in der Forschungstelle der Mormonen in Oldenburg kennen – oft saßen wir dort nebeneinander und halfen uns gegenseitig beim Entziffern der Einträge in den Kirchenbüchern. Das war für uns beide besonders spannend, als wir entdeckten, dass wir zeitweise in derselben Region forschten. Auch Steffis Vorfahren lebten zum Teil in Ostpreußen – und zwar nicht weit entfernt von meinen Ahnen: im Kreis Pr. Eylau.
Ihren Ostpreußen-Ordner mit sämtlichen Forschungsergebnissen hatte Steffi bei mir deponiert, weil wir planten, gemeinsam weiter zu forschen, wenn sie nicht mehr soviel arbeiten müsste und irgendwann ein wenig mehr Zeit haben würde …. Diese Zeit kam leider nie, denn 2017 verstarb Steffi ganz plötzlich.
Ich habe versucht, den Ordner an die Familie weiterzugeben – das misslang jedoch. Nun besitze ich ihn immer noch und ich möchte nicht, dass Steffis Forschung vergebens war. Es geht vor allem um Familie Berner und Wiegand im Kreis Pr. Eylau, mit deren Geschichte sich vor Steffi auch andere Familienmitglieder bereits beschäftigt hatten. Vielleicht meldet sich aufgrund dieses Beitrags jemand aus der Familie, der Interesse an Steffis Ordner hat …?
Es gibt eine Familien-Chronik, durch die wir Näheres über die Familien erfahren. Die Nachforschungen wurden vor dem 2. Weltkrieg vorgenommen – viele der heute nicht mehr existierenden Unterlagen waren damals noch vorhanden. Ich verwende die Informationen der damaligen Recherchen, Steffis Forschungsergebnisse und ich zitiere aus der Chronik. Einige Fakten konnte ich selbst noch ergänzen – einige, die wohl aus mündlicher Überlieferung stammen, auch korrigieren.
Familie Berner und Wiegand
Der Verfasser der Chronik geht davon aus, dass Familie Berner zu den Salzburger Immigranten gehört, die 1732 nach Ostpreußen einwanderten – er konnte dies jedoch trotz intensiver Nachforschung nicht belegen.
Als möglicher Vorfahre wird in der Chronik erwähnt: Georg Berner, vertriebener Protestant aus Salzburg, Gericht Radstadt-Oberfritz, Besitz Filznoß, 25 Jahre alt, der 1732 mit seiner Ehefrau Christina geb. Wenger u. dem 8-jährigen Sohn in Rapponatschen, Kirchspiel Gawaiten, angesiedelt wurde.
Im Kreis Pr. Eylau wird die Familie erstmals 1824 genannt. Der älteste nachweisbare Berner-Vorfahre ist Johann Berner, der bei der Eheschließung seines Sohnes Friedrich Gottfried mit Anna Justine Hennig, einer Tochter des Müllers Jacob Hennig.- am 31. Oktober 1824 in der Kirche von Petershagen – als Wagenmacher in Goldap erwähnt wird. Johann übernimmt dann den Dienst als herrschaftlicher Kutscher im Gut Sieslack.
Johann soll noch drei weitere Kinder gehabt haben: 1. eine Tochter, die nach Russland verschleppt und durch Offizier Schuhmacher adopiert wurde – 2. einen Sohn, der als Küfer in Königsberg lebte, dort Haus- u. Grundbesitzer war und keine Kinder hatte – 3. einen Sohn, der nach Spanien und anschließend nach Rio de Janeiro auswanderte und dort eine große Erbschaft hinterließ. Diese Angaben wurden offenbar innerhalb der Familie mündlich überliefert ….

Anna Justine Hennig wird 1805 in der Kirche von Petershagen getauft – im Jahr zuvor, am 14. Oktober 1804, heiraten ihre Eltern dort. Den Heiratseintrag entdeckte ich im Kirchenbuch der evangelischen Kirche von Heilsberg. Vater Jacob arbeitet zu dieser Zeit als Müllergesell auf dem Gut Makohlen bei Heilsberg. Der Eintrag lautet: ‚Jacob Henning, 32, Müllergesell u. ältester Sohn des Eigenkäthners zu Liebenthal bei Mehlsack Johann Henning, und Jungfer Regina Freywaldt, 26, des Kämmerers Adam Freywaldt aus dem Adeligen Guth Nerfken älteste Tochter. Bemerkung: die Copulation ist in Petershagen geschehen – der Bräutigam ist catholisch und die Braut lutherisch‘.

Von Sieslack aus ziehen Friedrich Berner und seine Ehefrau zunächst nach Kapsitten, wo drei Kinder zur Welt kommen:
- Wilhelmine Berner am 12.5.1826
- Amalie Berner am 19.9.1828 und
- Julius Berner am 15.4.1834
Nach der Geburt von Julius kehrt die Familie zurück in den Kreis Pr. Eylau. Vater Friedrich Gottfried arbeitet nun als Instmann und Brenner in Borken. Hier erblickt Tochter Auguste Henriette am 5. Januar 1839 das Licht der Welt. Sie wird jedoch nur ein Jahr alt und verstirbt im Januar 1840 an Durchfall.
Nur wenige Monate später verstirbt der Vater in Borken an der Auszehrung. Nach seinem Tod zieht seine Witwe mit den Kindern nach Reddenau.. ‚Sicher hat sie sich mit ihren Kindern Wilhelmine, Amalie und Julius kümmerlich durchschlagen müssen. Sie kannte die Landarbeit von früher und fand Beschäftigung bei den Bauern oder auf den herrschaftlichen Gütern von Tolks‘ heißt es in der Chronik.
Familie Berner wohnt in Reddenau in unmittelbarer Nähe des Pfarrhauses, direkt neben dem Pfarrgarten. Tochter Wilhelmine heiratet den Arbeiter Johann Bendikat aus Wisborienen, Kr. Pillkallen und gründet mit ihm in Königsberg eine Familie. Tochter Amalie bleibt ledig und ernährt sich als Weißnäherin in Reddenau, wo sie 1905 im Alter von 77 Jahren verstirbt.
Julius Berner erlernt das Schuhmacherhandwerk in Schippenbeil. Er wird Meister und Mitglied der Schippenbeiler Schuhmacherinnung. Nach seiner Ausbildung kehrt er zurück nach Reddenau, ‚Schon sehr früh muss er sich in seinem Heimatdorf als selbständiger Schuhmacher niedergelassen haben. Im Jahre 1859 machte er in Begleitung seiner Schwester einen Besuch bei der ältesten Schwester in Königsberg. Dort lernte er Rahel Susanne Wiegand kennen, die bei Stockhausen, Heringsgroßverkauf, in Stellung war‘.
Am 4. November 1861 heiraten Julius Berner und Susanna Rahel Wiegand in der Kirche von Reddenau. 1864 wird in Reddenau Sohn Robert geboren – 1868 Paul Albert und 1875 Tochter Minna Johanna.
Susanna Rahel Wiegand stammt aus Rudau im Samland, wo sie am 6. Januar 1837 als Tochter des Müllers Friedrich Wiegand und seiner Ehefrau Susanna Rahel Leidigkeit zur Welt kommt. Sie hat mehrere Geschwister – auch ihr älterer Bruder Friedrich Gotthard Wiegand (* 1816) lebt später im Kreis Pr, Eylau – zunächst in Zohlen, dann in Beisleiden. Dazu später mehr ….
‚Schuster Berner, wie er im Dorfe hieß, war in Reddenau sehr beliebt. Sein handwerkliches Können war wohl nicht sehr bedeutend. Er war aber gesellschaftlich sehr gewandt, liebte die Erzählung und besuchte zur Unterhaltung gern das Gasthaus. Dort ließ er sich vom Postboten Graf, der die Strecke Bartenstein-Reddenau versorgte und früher selbst Schuhmacher gewesen war, oft das Neuste erzählen.
Auch Julius Berner selbst war wohl ein guter Erzähler und sehr humorvoll. ‚Mit den Gutsherren und dem Gutsverwalter Tuchowski war er manchesmal, besonders bei Fuchs- und Wolfsjagden, unterwegs. Von den Bauern wurde er gern zu Rate gezogen, bei Handels- und Marktgeschäften, bei Gewichtsabschätzen und Preisabsprachen, denn er konnte rechnen wie kein anderer‘. … Wenn er auswärts seine Einkäufe tätigte, nahm er gern seinen Schäferhund mit.
Julius wird nur 44 Jahre und drei Monate alt – er verstirbt am 19. August 1878 in Reddenau.
Nach dem Tod ihres Ehemanns bleibt Susanna Rahel Wiegand mit drei Kindern zurück. Große Unterstützung erhält sie von der Familie ihres Neffen, da ihr Bruders Friedrich Gotthard Wiegand seinen Wohnsitz ebenfalls vom Samland in den Kreis Pr. Eylau verlegt hat.
Friedrich Gotthard Wiegand war zunächst Müller in Kirschnehnen im Samland, verheiratet mit der Müllerstochter Maria Dorothea Schadwinkel, die 1822 in der Mühle von Kirschappen zur Welt kam. Familie Schadwinkel ist eine der bekanntesten ostpreußischen Müllerdynastien.

In der Familienchronik ist zu lesen: ‚Friedrich Gotthard Wiegand war auf Empfehlung nach Zohlen gekommen. Später wurde er Besitzer einer Lohnmühle in Beisleiden, wo das Stammgut der Familie Oldenburg-Januschau war.
Das Ehepaar bringt bereits drei Kinder mit in den Kreis Pr. Eylau und von 1849 bis 1867 werden in Zohlen acht weitere Wiegand-Kinder geboren:
- Friedrich August Wiegand *1842
- Marie Wiegand *1843
- August Wiegand *1846
- Anna Rahel Wiegand *1849
- Johann Michael Wiegand *1851
- Ernestine Wiegand *1854
- Wilhelmine Wiegand *1856
- Henriette Charlotte Wiegand *1859
- Amalie Louise Wiegand *1861
- Elise Margarethe Wiegand *1864 und
- Hermann Gustav Wiegand *1867 +1867
Im Oktober 1872 zieht Friedrich Wiegand mit seiner Familie nach Beisleiden um – der Ortswechsel wird auch im Kreisblatt verkündet:

Friedrich Wiegand war nicht – wie in der Chronik angegeben – Besitzer der Mühle in Beisleiden. Er arbeitet dort als Müllermeister. Nur vier Jahre nach dem Umzug verstirbt er am 13. April 1876 in Beisleiden.
Die Mühle wird von nun an von dem ältesten Sohn Friedrich August bewirtschaftet, der 1878 in Beisleiden Auguste Therese Bertha Gronwald, eine Tochter des in Beisleiden ansässigen herrschaftlichen Dieners und späteren Gastwirts Wilhelm Gronwald und dessen Ehefrau Julie Rausch heiratet. 1879 und 1882 werden ihre Kinder Anna Gottliebe Wiegand und Carl August Wiegand geboren.
Nach dem Tod seines Onkels Julius Berner in Reddenau nimmt Friedrich August Wiegand seinen Vetter Robert zu sich nach Beisleiden in die Lehre. In der Chronik heißt es: ‚Robert kam schon im September 1878 … in die Mühle Beisleiden. In der Familie hat er eine gute Lehre verbracht. Im Betriebe waren drei Gehilfen und mit Robert drei Lehrjungen. Kühe, Schweine und Federvieh waren vorhanden, wie es in einer Mühle üblich ist. Der Lohn des Mahlens wurde oft durch einen Anteil an Getreide bezehlt. Die wirtschaftlichen Verhältnisse waren gut‘.
Robert Berner geht nach seiner Lehre in Beisleiden auf Wanderschaft, absolviert seinen Militärdienst und ergreift schließlich einen völlig anderen Beruf – er tritt in den Dienst der Reichsbahn. 1890 heiratet er in Berlin Elisabeth Amanda Borbe aus Peterswalde im Kreis. Wehlau. Spätere Wohnorte sind: Berlin – Halle – Ratibor und Jessen. Er stirbt 1944 in Sangershausen.
Der 1868 in Reddenau geborene Paul Berner wird Schuhmacher – wie zuvor Vater Julius. Auch über sein Leben erfahren wir Näheres in der Familienchronik: ‚An Ostern 1882 trat er bei Schuhmachermeister Louis Friedrich in Bartenstein in die Lehre ein. Die Lehrjungen mussten ihr Werkzeug selbst beschaffen, selbst die Borsten und Raspeln. Der armen Mutter wird es sehr schwer gefallen sein, ihren Jungen mit diesen Dingen und mit Kleidung zu versorgen. Bei der kleinen Entfernung von 12 km ist anzunehmen, dass Paul an Sonn- und Feiertagen zu Besuch im Elternhaus weilte.
Die Schuhmacherwerkstatt war ein stattlicher Betrieb mit acht Gesellen und und vier Lehrjungen, die Kost und Wohnung im Hause hatten, wie es damals üblich war. Die Unterkunft war sehr schlecht. So wohnten die Lehrlinge im Dachgeschoss, wo es bei schlechtem Wetter reinregnete. Das Waschen musste am Wasserfass im Hof oder am Kübel im Hauseingang besorgt werden. Das Essen war sehr schlecht. …. Die Lehrlinge wurden in den ersten Jahren mehr zu berufsfremden Arbeiten herangezogen, sodass am Schluss der Lehrzeit das handwerkliche Können sehr gering war.‚
Auch Paul Berner begibt sich nach seiner Lehre auf Wanderschaft. Es würde zu weit führen, an dieser Stelle seinen gesamten Lebensweg zu schildern … Stationen seines Lebens sind ua.: Basel – Hildesheim – Münster und Straßburg im Elsass. 1950 verstirbt er in Rheinbischofsheim.
Schwester Minna Johanna Berner – genannt Hanna – arbeitet zunächst in einem Haushalt in Berlin, landet dann in Basel, heiratet den Uhrmacher Georg Holder aus Stolp in Pommern und lebt später mit der Familie in Thüringen. Sie stirbt 1930 im dortigen Mühlhausen.
Mehrere der oben genannten Wiegand-Kinder gründen Familien in Berlin.
Die in Reddeanu und Zohlen geborenen genannten Berner– bzw. Wiegand-Personen sind jeweils die letzten Personen beider Familienzweige, die im Kreis Pr. Eylau zur Welt kommen.






Liebe Irmi, wie all deine anderen Beiträge habe ich diesen in Gänze gelesen, trotz fehlender familiärer Bande nach Ostpreußen. Danke, dass du diesen Teil von Steffis Nachlass nicht der Vergessenheit anheim fallen hast lassen. In Unkenntnis des Materials im Ordnerund dessen Umfang stellt sich mir die Frage, ob man es nicht digitalisieren und so verfügbar machen könnte. Ich habe einen A4-Dokumentenscanner, der im Falle guter Vorlagen sowas innerhalb von Minuten scannen kann. Bei Interesse kannst du mich diesbezüglich gerne kontaktieren.
Ganz herzlichen Dank für das Angebot, lieber Christoph! Vielleicht meldet sich ja jemand aus der Familie …