1839 erschien in Göttingen der 4. Band der Strafrechtsfälle von Dr. Anton Bauer, in welchem er Prozesse aus verschiedenen Regionen dokumentiert. Auch dieses Buch wurde mittlerweile digitalisiert. Dieser 4. Band enthält vor allem ‚Verbrechen wider die Vermögensrechte‚. Ich entdeckte darin auch die Dokumentation eines Falles, der sich in unmittelbarer Umgebung meiner Vorfahren zutrug. Die Straftat wurde in Ritterhude verübt – die Familie des Angeklagten lebt in (Bremen-)Grohn. Und da mich immer auch die Umstände interessieren, unter denen meine eigenen Vorfahren lebten, habe ich diese Dokumentation mit großem Interesse gelesen. Es entsteht ein ‚Sittenbild‘ der damaligen Zeit.
Von Seite 197 bis Seite 222 beschreibt Dr. Bauer das Verfahren: ‚Wider Conrad Murken und dessen Söhne, Andres und Johann Murken, wegen Diebstahls.‘
„Am 14ten Iuni 1833 zeigt der Israelit Levi Simon zu Ritterhude beim dasigen Gerichte an, daß ihm in der vorigen Nacht eine Partie Ellenwaaren aus seinem Hause gestohlen worden, deren Werth er anfänglich zu 400 Rthl. angibt, nachher aber auf 150 bis 200 Rthl. herabsetzt und so beschwört. Bei der Ortsbesichtigung zeigt sich, daß die Diebe mit leichter Mühe eine im Stall befindliche, zur Herausschaffung des Düngers dienende Lucke geöffnet hatten und dadurch hereingekommen waren‘ ….
Bei den von Grohner Landdragonern vorgenommenen Hausdurchsuchungen werden in der Wohnung des Schusters Andreas Heinrich Murken einige der gestohlenen Waren entdeckt und auch bei seinem Vater Cord Murken findet man ‚ein Stück blaues Tuch‚, das möglicherweise Levi Simon gehörte. Vater und Sohn werden daraufhin verhaftet und vor das Gericht in Schönebeck gestellt.
Interessant ist, dass man im Verlaufe der geschilderten Vernehmungen viele familiäre Details erfährt – u.a., dass Johann Murken, der Bruder des Schusters Andreas Heinrich, noch bei seinem Vater Cord in Grohn lebt oder dass die Ehefrau des Schusters ‚aus dem Wochenbett noch nicht ganz hergestellt‘ ist (weshalb sie erst später vernommen werden kann). Erwähnt wird auch ein weiterer ‚abwesender‘ Sohn – Diedrich Murken.
Die Aussagen von Andreas Heinrich Murken, die seines Bruders Johann und die seiner Ehefrau widersprechen sich in vielen Punkten. Zu lesen ist auch, dass Andreas Heinrich Murken bereits zuvor mehrfach straffällig geworden war.
Die Ehefrau des Schusters versucht, ihren Mann dazu zu bringen, seine Tat zu gestehen. Offenbar leidet sie sehr und ist emotional sehr aufgewühlt.
In der Verteidigungsschrift der Defensors äußert dieser die Vermutung, dass ‚die ganze Sache eine gewöhnliche Judensache sey, um vielleicht einen profitablen Accord herbeizuführen‘. Er weist darauf hin, dass sein Mandant (Andreas Heinrich Murken) lediglich durch die Aussage seiner Ehefrau belastet werde, doch ‚diese verdiene keinen Glauben und lasse (sich) nur aus der Voraussetzung erklären, daß die Frau sich seiner zu entledigen suche, da sie 10 Jahre älter wie er sei sey und 2 Kinder aus ihrer ersten Ehe habe‘.
Andreas Heinrich Murken wird vom Gericht letztlich – nach Abwägung aller Tatbestände und Aussagen – als ‚gefährlich‚ eingestuft und zu einer ‚dreijährigen Karrenstrafe‚ verurteilt. Er muss also 3 Jahre lang schwere körperliche Arbeiten für das Gemeinwesen verrichten.
Conrad Murken und Johann Murken werden zwar für mitschuldig gehalten, können jedoch – aufgrund mangelnder Beweise – nicht verurteilt werden.
Liebe Irmi,
interessante Zusammenhänge, die Du da mitteilst – wie Deine ganze Webseite fasziniert.
Sicher hast Du mit Blick ins OFB Lesum bereits festgestellt, dass die im Prozess genannten Brüder Diederich und Johann Halbbrüder des Andreas Heinr.Murken sind (Kinder der Ehe Cord Murken/Meta Hake. Könnte die Abwesenheit des Diederich mit einem Seemannsberuf zusammenhängen ? Darauf deutet zumindest sein Sterbeort Port au Prince hin.
Herzliche Forschergrüße Klaus (Schoch)