Ständeordnung: ein Bauer bleibt ein Bauer !

Wenn ich mich mit dem Leben meiner Vorfahren in früheren Jahrhunderten beschäftige, bin ich oft erstaunt darüber, dass es so wenig Widerstand gab gegen die oftmals herrschenden Abhängigkeiten sogenannter ‚einfacher Leute‚ von ihren jeweiligen ‚Herrschaften‘.

Das kann man wohl nur begreifen, wenn man sich klar macht, dass diese Untertänigkeit als selbstverständlich betrachtet wurde – man wurde in einen ‚Stand‚ hineingeboren und blieb darin sein Leben lang verhaftet: ein Adeliger blieb ein Adeliger – ein Bauer blieb ein Bauer und konnte kein Handwerker werden.

Handwerker_Bauer

Diese Ständeordnung wurde als ‚von Gott gegeben‘ angesehen – soziale Auf- und Abstiege gelangen nur in seltenen Fällen. In Band 2 der von Richard van Dülmen geschriebenen Alltags- und Kulturgeschichte (‚Kultur und Alltag in der frühen Neuzeit‘) – die ich sehr empfehlen kann – findet man auf Seite 179 einen Brief aus dem Jahr 1703, der von dem bayrischen Barockprediger Selhammer geschrieben wurde. Der Inhalt dieses Briefes verdeutlicht wie man damals dachte und weshalb wohl so wenig gegen widrige Lebensverhältnisse aufbegehrt wurde:

‚Gott hat schon recht ausgetheilt. Er hat einem jeden Menschen sein gewisse Stell und Handthierung verordnet, die ein jeder fleißig behaupten soll. Großen Herrschaften hat er Sinn und Verstand, Gewalt und Oberhand, Schwerdt und Scepter geben, daß sie Land und Leuth weißlich und vorsichtig regieren sollen. Denen Geistlichen hat er Fried und Lieb, Andacht und Gottesfurcht, nüchternen und keuschen Lebens-Wandel, Seeleifer und inbrünstiges Gebet aufgetragen, so sie für alle anderen insgesambt ordentlich verrichten sollen. Den Soldaten hat er Muth und Hertz, langwierige Gesundheit und starcke Kräfften, Gehorsam und Gedult ertheilt, daß sie im Feld mit dem Feind keck herumschlagen, alle ihre Landsleuth von allen feindseeligen Einfall beschützen, den lieben fried ins Land bringen und darin erhalten sollen. Den Bauren aber … hat er frisch und gesunds Leben, Muth und Krafft zur steten Arbeit verschafft, daß sie durch ihren Feldbau und Viehzucht sich und alle andere ernähren und erhalten sollen …‘

Wenn man an all das glaubt, kommt kein Bauer auf die Idee, sich wie ein Soldat ‚keck herumzuschlagen‘ oder mit ‚Sinn und Verstand das Land regieren zu wollen.‘ Wie praktisch! 🙂

Die Abbildung stammt aus dem Buch von Richard van Dülmen, ‚Kultur und Alltag in der frühen Neuzeit‘ (Dorf und Stadt); C.H. Beck, München, 1999; Seite 185

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