„Et kann ja nich anners.“ :-)

‚Ganz eigenthümlicher Art ist das Erbfolgerecht an den oldenburgischen Landstellen. Es ähnelt dem, welches in den Familien englischer Großen herrscht. Ein Sohn des Gehöftherrn – doch nicht immer der älteste, im Kreise Delmenhorst ist es sogar umgekehrt, der jüngste – ist sein Erbe.

Die übrigen Kinder haben auf nichts als den Pflichtheil Anspruch. Dieser besteht in 20 Procent vom Gesammtwerth der Besitzung, in welche sich, während der eigentliche Erbe 80 Procent behält, die übrigen Familienmitglieder theilen müssen. Diese bleiben dann meist in Diensten des neuen Eigners und werden von ihm vor den übrigen Knechten und Mägden selten ausgezeichnet. Die nicht erbenden Söhne … bleiben oft auf der Stellen und heirathen nicht; sie heißen dann Jungens bis an ihr Lebensende. „Ick heww en oolen Jung in’t Huus“ (Ich habe einen alten Jungen im Hause), sagte mir ein Bauer – und als ich näher nachfragte, hörte ich, daß es sein 70jähriger Bruder sei.

Den Landleuten fällt diese wunderbare Ungleichheit der Theilung unter Brüdern durchaus nicht auf; sie finden das ganz in der Ordnung. „Et kann ja nich anners.“

Wenn so ein alter Junge ein ganzes langes Leben hindurch unausgesetzt gespart und sich auf diese Weise ein kleines Vermögen erworben hat, so vermacht er dies in der Regel dem Erben und nicht den Kindern seines Bruders, die es doch so nöthig hätten. Den Wunsch, daß die Stelle glanzvoll in der Familie erhalten werde, ist den Bauern ebenso tief eingeprägt, als dem begüterten Adel‘.

(Joseph Mendelssohn, Eine Ecke Deutschlands. Reisesilhouetten, Oldenburger Bilder und Charaktere und Zustände, Oldenburg 1845; S. 105/106). Der Schriftsteller Joseph Mendelssohn wurde 1817 in Jever geboren. Mehr über ihn auf Wikipedia.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.