Páriga – Patikan – Padeken – Asegut – und eigentlich Kolschen

Sucht man nach den Vorfahren der väterlichen Linie, so orientiert man sich üblicherweise am eigenen Nachnamen: heißt man selbst Müller, heißt normalerweise auch der Vater Müller und der Großvater usw. – zumindest dann, wenn alle ‚ordnungsgemäß‘ geheiratet haben.

In diesem Fall war der Weg steinig. Etwa 10 Jahre lang hat Micael Páriga aus Arizona versucht, seinen Ur-Ur-Großvater zu finden und dessen wahre Identität zu enthüllen.

Der Name Páriga ist in den USA selten und Micael wuchs in der Annahme auf, seine Vorfahren seien irgendwann aus Mexiko eingewandert. Der Name klingt eher spanisch, Mexiko und Arizona grenzen aneinander und in der Familie wurde immer auch Spanisch gesprochen. Innerhalb der Familie wurde allerdings auch die Geschichte erzählt, dass es unter den Vorfahren einmal zwei Brüder gegeben habe, deren Eltern (mit Namen Patikan) ursprünglich aus Irland oder aus Deutschland eingewandert und bei einem Überfall von Indianern getötet worden seien. Die Kinder seien daraufhin von einem reichen mexikanischen Ehepaar adoptiert worden. Weitere Einzelheiten waren nicht bekannt.

Nun hat sich herausgestellt, dass der Ursprung der Familie Páriga in Varel liegt!

Es würde den Rahmen sprengen, an dieser Stelle den gesamten Ablauf der mühsamen Suche zu schildern – das wäre ausreichend Stoff für ein spannendes Buch. Aber in Kurzform möchte ich die – fast unglaubliche – Geschichte von Friedrich Gerhard Padeken erzählen, die sich am Ende der Suche ergeben hat.

Friedrich Gerhard Padeken wird am 13.11.1829 in Seghorn bei Varel als Sohn des Schmiedes Johann Kolschen (oder Padeken) und dessen Ehefrau Helene Margrete Ebken geboren. (Padeken nennt sich der Vater, nachdem er in Obenstrohe die Padeken-Schmiede übernommen hatte). Um 1850 leben nur noch seine Mutter und ein 8-jähriger Bruder.

Um diese Zeit verlässt Friedrich Gerhard Padeken seine Heimat und schmuggelt sich zunächst als ‚Edward Asegut‚ unter falschem Namen an Bord des Auswandererschiffes Germania nach New York. Der richtige Edward Asegut war vermutlich ein Schiffsarbeiter, der nicht zum Dienstantritt erschienen war. So nahm er dessen Platz ein.

Auswandererschiff

Immer wieder hat es in der Mitte des 19. Jahrhunderts Deutsche nach Hawaii (=Sandwich-Inseln) verschlagen. Auch Friedrich Gerhard Padeken alias Edward Asegut landet dort. Er heiratet eine Hawaiianerin namens Margaret Kamaha Aweau. Die beiden bekommen 6 Kinder. Alle werden auf den Namen Asegut getauft. ‚Edward Asegut‘ ist Geschäftsmann und handelt – gemeinsam mit seinem Partner Julius Reinhardt – u.a. mit Zucker, Melasse und gesalzenem Rindfleisch. Sie besitzen mehrere Zuckerplantagen, auf denen sie Mühlen betreiben.

Zuckerplantagen

Es läuft nicht alles wie erhofft – mehrfach müssen ‚Edward Asegut‚ und sein Partner vor Gericht erscheinen – zum Beispiel werden sie im Juni 1863 verklagt, ihre Waren auf dem Schiffsweg nicht ordnungsgemäß versandt zu haben.

1874 wendet sich ‚Edward Asegut‚ an König David Kalākaua von Hawaii und bittet darum, seinen Geburtsnamen wieder führen zu dürfen, den er in seinem Brief erstmals selbst erwähnt. Auch seinen Geburtsort Varel nennt er. Als Grund dieser erwünschten Namensänderung gibt er an, er habe einen Brief aus Deutschland erhalten, in dem ihm mitgeteilt worden sei, dass er ein beträchtliches Vermögen geerbt habe. Er müsse sich deshalb mit seinem richtigen Namen ausweisen können. (1874 verstirbt in Varel sein Taufpate Friedrich Christian Reiners, der als Kammerregistrator in Varel tätig war – hat ihm dieser möglicherweise etwas vererbt?)

König

Ausschnitt aus Padekens Brief an den König

Friedrich Gerhard Padekens Gesuch auf Änderung seines Namens wird vom Innenministerium auch in der Zeitung veröffentlicht:

Asegut_Padeken

1875 wird Friedrich Gerhard Padeken wegen eines Viehdiebstahls angeklagt. Während er im Gefängnis auf die Hauptverhandlung wartet, gelingt es ihm, mehrere bekannte Hawaiianer als Bürgen zu gewinnen. Sie zahlen eine Kaution, Friedrich Gerhard Padeken wird aus dem Gefängnis entlassen und verschwindet. Auf dem Schiff Clara Bell verlässt er (diesmal als John Johnson) Hawaii in Richtung San Francisco und leiht sich vom Steward Geld, um nach Deutschland zu gelangen, wo angeblich die erwähnte Erbschaft auf ihn wartet.

In der Zeitung wird auch von seiner Flucht berichtet. Am Ende des Artikels heißt es in etwa: ‚Die zuversichtlichen Eingeborenen, die für ihn gebürgt haben, werden sich zweifellos freuen, wenn er weiterhin gesund bleibt und reich wird.‘ 

Friedrich Gerhard Padekens Geschäft ist mittlerweile bankrott und er lässt alles hinter sich – auch seine Familie. Für einige Jahre verliert sich seine Spur.

Bankrott_1876

1879 taucht Friedrich Gerhard Padeken in Arizona wieder auf. In der ‚Arizona Sentinel‘ erscheint ein Artikel, in dem von seinen Erfahrungen bei der Anlage von Zuckerplantagen und seinem erfolgreichem Management solcher Plantagen in Louisiana und besonders auf den Sandwich Inseln  berichtet wird.

Am 16. April 1887 wird in der ‚Arizona Weekly Citizen‚ die Nachricht veröffentlicht, die bekannten Geschäftsmänner Tully, Ochoa, and Buckaslew hätten F. G. Padekens ausstehende Schulden gezahlt. Tully, Ochoa, and Buckaslew besitzen zu dieser Zeit den größten Frachtbetrieb im Südwesten der USA – dem damaligen ‚Wilden Westen‘. Hauptsitz der Firma ist Tuscon. Sowohl Pickney Randolph Tully als auch Estevan Ochoa waren zeitweise auch Bürgermeister von Tuscon. Ihre Transporte führen auch durch Gebiete, die von Indianern bewohnt werden und immer mal wieder werden die Züge während dieser Fahrten überfallen und die Waggons geplündert.

Tully_Ochoa_Überfall

Friedrich Gerhard Padeken hat mittlerweile eine neue Frau namens Inez (ob er sie geheiratet hat, ist nicht bekannt) und zwei Söhne. Einer seiner Söhne ist der 1879 geborene Frederick Padeken, der sich fortan Federico Páriga nennt.  – sein Bruder Charles, der um 1881 zur Welt kommt, nennt sich später Patikan. Federico stirbt 1956 – sein Bruder Charles im Jahre 1923.

Federico (Padeken) Pariga – Sohn von Friedrich Gerhard Padeken – mit seiner Ehefrau Guadalupe Portillo

So kommt es, dass heutzutage eine Reihe von Nachfahren des aus Varel ausgewanderten Friedrich Gerhard Padeken mit unterschiedlichen Nachnamen in unterschiedlichen Gegenden der USA leben – auch auf Hawaii hat er ja einige Kinder hinterlassen, die später Familien gegründet haben.

Was aber wurde aus Friedrich Gerhard Padeken selbst? Die letzte Spur ist die Nachricht in dem 1887 erschienenen Zeitungsartikel, aus der wohl abzuleiten ist, dass er um diese Zeit für die Firma Tully, Ochoa, and Buckaslew arbeitet. Im Census von 1900 werden seine beiden Söhne – inzwischen junge Männer – als ‚Untermieter‘ im Haus von Familie Tully aufgeführt – allerdings unter dem Namen Padakin! Auch sie werden vermutlich in der Firma tätig sein. Hat sich Familie Tully um die beiden gekümmert, weil die Eltern tatsächlich bei einem Indianer-Überfall ums Leben gekommen waren? Das wäre auch eine Erklärung für die Geschichte, die innerhalb der Familie Páriga immer weitergetragen wurde ….

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11 Antworten zu Páriga – Patikan – Padeken – Asegut – und eigentlich Kolschen

  1. Uwe Fangmann sagt:

    Hallo, habe deine E-Mail an die OGF-Liste gelesen. Diese Geschichte ist ein tolle Zeitreise, weiter so.

  2. Debra Lowman sagt:

    Thank you for posting this email story. I have been trying to find the true identity of my great-great-grandfather Friedrich Gerhard Padeken! I knew he lived in Arizona, but did not know of his tragic death.

  3. Diane halas sagt:

    Aloha, my cousin Debra Lowman showed me this article regarding Frederick Gerhard Padeken.
    Wow, this is amazing. We are thankful to able to put the puzzle together.

  4. Lori sagt:

    I am so happy to finally find information about my paternal ancestry. The couple in the photograph are my grandparents (my late father was Arturo Pariga) of Arizona!

  5. Antonio H Pariga sagt:

    Sounds like a connection was finally made with our great grandfather’s family. Debra/Diane you wouldn’t happen to have any pictures of Friedrich? v/r Tony Pariga

  6. Antonio H Pariga sagt:

    Looks like someone finally made a connection to our great grandfather. Debra/Diane would you have any pictures of Friedrich? v/r Tony Pariga

  7. Hi Lori and Tony, this research has taken me over a decade to gather because as you know our families are not the greatest of historians and those who may have had answers to these questions have since passed on.

    I have spent thousands of hours, dollars, and have made quite a few new friends and aquaintances along the way in both the U.S. and internationally.

    There are still some skeptics, which is understandable because our history isn’t the clearest and changing one’s views of their own ancestors can be a hard pill to swallow but I make a pretty hard case. I may have to sit and write out a paper of everything once all is said and done.

    I am overjoyed you have all found your way to Irmi’s blog! It shows me that there are others out there who think about the same things that I do and have a desire to search for those clues and make these connections. Irmi herself has been instrumental in many ways in my genealogy „wall-breaking“ efforts. Though I had cracked the major road blocks concerning our connections to Friedrich Gerhard, she has since painted a more clear picture of him and his family here in Germany for me.

    Lori, I am not sure if we have met? Tony, I am guessing you are my Uncle? I am Micael but I have been called Jake since childhood. My parents being Rudy Pariga and Elizabeth Ruiz. If you have any questions regarding anything written in the wonderful piece above just drop me an email and I will do my best to get back to as soon as time and work permits!

  8. Lori Pariga sagt:

    Hi Micael. …we have never met. Your grandfather Frederico Jr and my father Arturo were brothers. How on earth did you find this person in Germany to help you find all the info? I was so incredibly happy and surprised when I stumbled on to the website. All these years I’d had trouble finding any information because I was spelling the last name wrong. Thank you so much for taking the time to research this! Lori

  9. Micael Pariga sagt:

    Lori – Irmi and I were connected by Gerold Dier out of the Oldenburg Geneological Society in Germany. She extended her genealogical services to me, which I will be forever grateful, after I shared with her my story and research from the last ten or so years. The majority of the information from Germany, to Hawaii and then to AZ I found piecemeal over the years. Irmi helped me with developing the branches a bit beyond F.G. Padeken, focusing on the Kolschen and other lines that lived in Varel, Bockhorn and surrounding communnities.

  10. Lori Pariga sagt:

    Where can we see the family tree leading to Kolschen?

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