‚Todtgeschoßen mit einer Kugel durch den Kopf‘

Die Schlacht von Friedland (Prawdinsk – russisch Правдинск) am 14. Juni 1807, bei der Napoleon das russische Heer besiegte, wurde oft beschrieben, u.a. auch bei Wikipedia 🙂

Genau fünf Jahre später (am 14. Juni des Jahres 1812) hält sich Napoleon auf seinem Feldzug gegen Rußland mit seinen Truppen erneut in der Umgebung von Friedland auf. Mit einer Heerschau (einer ‚militärische(n) Zeremonie, in der Soldaten zu besonderen staatlichen Anlässen öffentlich auftreten und dabei ihre Bewaffnung und Ausrüstung präsentieren‘ (Wikipedia) wird der Sieg von 1807 an diesem Jahrestag gebührend gefeiert.

wohnsdorf_auglitten

Das Gut Groß Wohnsdorf liegt – laut Leopold Krug – etwa 1 Meile östlich von Friedland. Auf diesem Gut, das sich schon lange im Besitz der Familie von Schrötter befindet (zu dieser Zeit im Besitz des Freiherrn Friedrich Leopold von Schrötter) dient 1812 Johann Gottlieb Reissmann als ‚Oberwarth‘. Sein Vater Gottlieb Reissmann – mein Ur-Großvater 5. Grades – übt denselben Beruf im Jägerhoff aus, der Privatförsterei der Begüterung Worienen, Pr. Eylau. Beide sind demnach verantwortlich für den Forstbezirk des jeweiligen Gutes.

Auch drei Tage nach der großen Siegesfeier müssen sich die Franzosen noch in der Gegend von Friedland aufgehalten haben. Als ein französischer Soldat am 17. Juni versucht, in Wohnsdorf Pferde zu stehlen, bemüht sich Johann Gottlieb Reissmann, dies zu verhindern und wird dabei von dem Soldaten erschossen. Die genauen Umstände dieses Vorfalls sind nicht bekannt, aber im Kirchenbuch von Auglitten-Schönwalde fand ich folgenden Sterbeeintrag:

auglitten_schoenwalde_reismann_1815

‚den 21ten Juny ist der Oberwart Gottlieb Reismann aus Wohnsdorf, welcher den 17ten Juny beim Pferderaub von einem Franzosen am Mühlenteich in Wohnsdorf erschoßen wurde, begraben. Er wurde ein Opfer seiner Menschenliebe, indem er die von den französischen Truppen mit Gewalt genommenen Pferde retten wollte. Heyl seinem unsterblichen Geiste.

Als Todesursache ist am Rand des Kirchenbuches vermerkt: todtgeschoßen mit einer Kugel durch den Kopf‘

Johann Gottlieb Reissmann wird nur 30 Jahre alt. Einige Monate später kommt in Worienen ein kleiner Junge zur Welt, der seinen Vater nie kennen lernen wird. Der damalige Pastor von Eichhorn notiert im Taufregister:

‚den 6. Januar wurde die unverehelichte Justine Ohmüller, die angeblich geschwängert von dem in Wohnsdorff erschoßenen Oberwarth Johann Gottlieb Reismann, Sohn des Oberwarths Reismann in Jägerhoff b. Worienen, von einem Sohn entbunden, der den 18ten getauft und genannt wurde: Johann Gottlieb Reismann.

‚Die Mutter vorgedachten Kindes kam, nachdem ihr Geliebter erschoßen war, zu deßen Vater, dem Oberwarth Reismann zu Jägerhoff bei Worienen, um ihren Aufenthalt daselbst zu suchen und wurde bald danach entbunden.‘

Was wohl aus den beiden geworden ist …?

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Eine Antwort zu ‚Todtgeschoßen mit einer Kugel durch den Kopf‘

  1. Angela Schwentker sagt:

    Ja doch, das heißt definitiv „Menschenliebe“. Dem Menschen ist ja auch geholfen, wenn er sein Pferd behalten kann…
    LG
    Angela

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