(Aus dem Buch „Der Kreis Heiligenbeil“ (Ein ostpreußisches Heimatbuch) – zusammengestellt und bearbeitet von Emil Johannes Guttzeit; Rautenbergsche Buchhandlung Leer; 1975)
Mit dem Bäckerhandwerk eng verbunden war das Müllergewerbe. Die Windmühlen, die unserer heimischen Landschaft ein besonderes Gepräge gegeben hatten, waren fast alle bis zur Vertreibung verschwunden, weil ihre Unterhaltung zu kostspielig und die Gewinnquote zu gering war.
Die Wassermühlen klapperten auch nicht mehr »an rauschenden Bächen«; etliche von ihnen hatten auf den neuesten Stand der Technik umgestellt werden können, wodurch sich die Betriebskosten verringert hatten. Bis in die dreißiger Jahre bzw. bis zur Vertreibung hielten sich die Wassermühlen in Eisenberg, Mühle Bahnau, Montitten, Gr. Rödersdorf, Hermsdorf, Kukehnen, Luisenhof, Rudolfshammer und Reginenhof ebenso wie die Mühlen in den beiden Städten. Die ursprüngliche Zahl der Mühlen war aber infolge der neuerrichteten Genossenschaftsmühlen zurückgegangen, die auch den Vertrieb von Getreide, Mehl, Brennstoffen und anderen Waren übernommen hatten.
Die eben genannten Mühlen, wie auch noch einige andere, hatten die Jahrhundertwende überlebt, obgleich das Müllergewerbe von etwa 1895 ab einen steten Rückzug zu verzeichnen hatte, wie dies der Heiligenbeiler Mühlenbesitzer Zarniko im Juni 1909 in einer kleinen Schrift („Die wirtschaftliche Lage der ostdeutschen Mühlen..“, Heiligenbeil 1909) nachgewiesen hat. Als Ursachen für den Rückgang führte er damals auf: den »verfeinerten Geschmack der Bevölkerung, die Technik, die Müllerei zu vervollkommnen, da andernfalls in den Jahren 1880 bis 1890 ausländische, besonders amerikanische und ungarische Mehle den deutschen Markt beherrscht hätten«. Die kleinen Mühlen wurden geschädigt vor allem durch die von der organisierten Landwirtschaft »in gewaltigen Mengen« aufgestellten Schrotmühlen wie auch durch den Wettbewerb der Raiffeisen-Genossenschaften und den der staatlichen Proviantmühlen.
Die Mühlen gehörten ursprünglich zum Regal (Hoheitsrecht) der Landesherrschaft; diese vergab sie an Müller, die zu bestimmten Abgaben und meistens auch zu ihrem Unterhalt verpflichtet waren. Die Heiligenbeiler Ordensmühle gehörte schon in der Ordenszeit zu den bedeutendsten des Landes. Sie wird im Jahre 1412 erstmals erwähnt, im Jahre 1437 hatte sie 6 Gänge und unterstand direkt dem Komtur zu Balga. Zehn Jahre später lieferte sie jährlich 8 1/2 Last Roggen und ebensoviel Last Malz ab. Nach dem verheerenden Kriege von 1520/21 hatte sie nur 2 Gänge; später wurde deren Zahl auf vier erhöht, einer davon diente zum Mahlen von Weizen.
In einer Zusammenstellung der Mühlen des Amtes Balga aus den Jahren 1573/82 stand die Heiligenbeiler Mühle obenan. Sie vermahlte jährlich durchschnittlich 21 Last 45 Scheffel Getreide (in erster Linie Malz, dann Roggen und Weizen), die in Zinten vermahlte 9 Last 3 1/2 Sch., die in Bahnau 3 Last 56 Sch. Dementsprechend hoch waren auch die Abgaben der Heiligenbeiler Mühle. Im Jahre 1676 hatte sie 30 Sch. Weizen, 3 Last 30 Sch. Korn, 18 l Malz und 12 gemästete Schweine nach Balga zu liefern. Der Müller, an den die oberschlächtige Mühle verpachtet war, bekam jede 6. Metze und mußte Talke (Hilfsarbeiter) und Beuteltuch selbst beschaffen, auch das Schleusenwerk in Ordnung halten. Dagegen bezahlte das Amt Balga die Mahlsteine allein. Der Müller mußte jährlich 16 gemästete Schweine liefern.
Während des 13 jährigen Ständekrieges gehörte die Mühle zeitweise dem Söldnerführer Melchior von Deben, 1471 trat er sie wieder an den Orden ab. Dieser, wie später die Landesherren, übergab die Mühle gegen vereinbarte Verpflichtungen an Müller: Paul Freudenthal 1560/67, Hieronymus Hartmann 1584, Johann Bergau etwa 1690/1716, Friedrich Tau ab 1716, er hatte einen sechsjährigen Kontrakt und zahlte 639 Reichstaler 20 Gr. Pacht. Der Müller Gottfried Lange erwarb die Mühle am 4. Nov. 1751 als Erbpächter, dem 1771 Martin Strelow folgte. 1785 ging sie an Christian Duhs (Dous) über und 1816 auf dessen Sohn Johann Ludwig Theodor Dous. Ihm wurde sie am 19. Aug. 1828 als völliges Eigentum übergeben. Sein Nachfolger war 1830 sein Vetter Carl Adolf Dous (+1866), der die Mühle 1844 für 28000 Taler an Carl Ludwig Zarniko (aus der Kl. Amtsmühle bei Braunsberg) verkaufte. Am 2. Jan. 1845 übergab dieser sie seinem inzwischen großjährig gewordenen Sohn August Carl Zarniko; nach dessen Tode fiel die Mühle an seine zweite Frau, von der sie 1904 ihr Sohn Franz Zarniko übernahm; er ist im l. Weltkrieg gefallen.
Von dem Wohlstand der Mühlenbesitzer Dous und Zarniko zeugte das Wohnhaus neben der Mühle. Die Türen waren mit sinnvollen Schnitzereien und einem altertümlichen Türklopfer geziert. Die Jahreszahlen 1804, 1844, 1904 erinnerten an die Besitznahme durch die Familie Zarniko. (Welches Ereignis ins Jahr 1804 fällt, ist unbekannt, vermutlich war das Wohnhaus in diesem Jahre erbaut worden.)
Im Jahre 1919 ging die Mühle in den Besitz der An- und Verkaufsgenossenschaft über. Der Direktor Franz Wunderlich (+ 1945) baute die Mühle so aus, daß sie großen Ansprüchen genügte. Er ersetzte die Dampfmaschinen durch Rohölmotore von 160 PS in der Großen (oder 20 t-Mühle) und 80 PS in der 10 t-Mühle, zusätzlich wurden Turbinen durch Wasserkraft (aus der Jarft) eingebaut. Der Silo bei der Kleinen (oder Kunden-)Mühle faßte 2000 Ztr. und der der Großen Mühle 10000 Ztr. Getreide. Elektrifiziert wurde der ganze Betrieb ab 1924. Die »Mühlennwerke der Ostpr. An- und Verkaufs-genossenschaft (Ordensmühlen)« vermahlte täglich bis zu 40 t (800 Ztr.) Getreide.
Die Wassermühle in Z i n t e n, die 1412 erstmalig genannt wird, hatte 1437 3 Gänge und zinste jährlich 80 Mark. Später hatte sie wie andere Mühlen Weizen, Roggen, Malz und gemästete Schweine ans Amt zu liefern. Um 1525 verwaltete sie der Müller Andreas Kante. 1533 erhielt der Müller Hans Matern die Erlaubnis, in der Nähe eine Schneidemühle zu erbauen; als diese 1541 abbrannte, errrichtete er sie 1547 von neuem. Um 1580 wird der Müller Basilius Thiel (Thilo) überliefert(er ist der Vater des am 2. Jan. 1579 in Zinten geborenen Pfarrers und Kirchenliederrdichters Valentin Thilo (+ 1620); sein Adventslied »Mit Ernst, o Menschennkinder, …« ist allgemein bekannt).
1594 ging die Mühle an den Mühlenmeister Hans Höner über; sein Nachfolger war der Mühlenmeister Pönner, dem 1633 Hans Kühn folgte. 1622 wird der Müller Leonhard Bergau erwähnt. Auf die Erbmüller Bartsch, Griß, Tiede und Erdmann Willner folgte 1751 Joachim Heuer, dem die Mühle in Erbpacht gegeben wurde. Er verkaufte sie 1756 an Georg Ludwig Kiefer für 1800 Taler. Als dieser die Mühle 1759 neu erbaute, erhielt er eine Beihilfe von 156 Talern. Er verkaufte die Mühle an Preuß, der dem Amt im Jahre 1770 300 Taler schuldig blieb; ihm folgte Buchholz, der die Mühle 1780 für 10000 Floren an Hennig weiterveräußerte.
Die Mühle muß damals wenig einträglich gewesen sein; denn sie kam – unter dem Eigentümer Rokitzki – in Zwangsverwaltung, bis sie 1789 für 18000 Floren an Georg Vetter verkauft wurde. Als sie dann 1825 an Bergau überging, brachte sie 12000 Taler. 1827 wurde der Erbpachtkanon aufgehoben, so daß die Mühle nunmehr in vollen Privatbesitz übergehen konnte. Ihre Besitzer waren Patschke, Pauly, zuerst der Vater, dann vor 1902 sein Sohn Wilhelm Pauly, der sie an Frommhagen verkaufte. Im Jahre 1886 war die Mühle umgebaut und mit neuen Maschinen ausgestattet worden. Um 1910 vermahlte sie täglich 300 bis 450 Ztr. Getreide. Der Mühlenbesitzer W. Pauly (+1936) errichtete 1902 ein eigenes Elektrizitätswerk, das den zwei Dynamomaschinen der Mühle den Strom lieferte. An dies Werk war auch die Stadt Zinten mit der Straßenbeleuchtung und 110 Privathaushalten angeschlossen. Frommhagen, der den Landbesitz vergrößert hatte, verkaufte 1932 eine erhebbliche Fläche zu Siedlungszwecken.