Rosalie Löwensohns bewegtes Leben

Rosalie Löwensohn wird am 13. Dezember 1830 als Tochter des Schneiders Jacob Löwensohn (auch Löwinsohn oder Levinsohn geschrieben) und seiner Ehefrau Ernestine Jacobi (auch Jacoby) in Königsberg geboren. Die Familie ist jüdischen bzw. mosaischen Glaubens. Nach dem Tod des Vaters (+ 12.12.1846) vermählt sich die Mutter 1857 mit dem Kesselflicker Ephraim Treufeld.

Im Mai des Jahres 1857 kommt in Königsberg Rosalies Sohn Joseph Julius Löwensohn zur Welt – 4 Jahre später – am 20.4.1861 – Tochter Marie Löwensohn. Beide Kinder werden unehelich geboren.

1865 findet man im Kirchenbuch der Tragheimer Kirche folgenden Eintrag:

den 10 (zehnten) Mai ist Rosalie, Tochter des Schneiders Jacob Lewinsohn u. dessen Ehefrau Ernestine g. Jacobi, welche am 13 (dreizehnten) December 1830 (dreißig) in Königsberg . Pr. geboren ist, in der Kirche des Georgenhospitals von Prediger Lawrence in Danzig getauft worden! Hat den Taufnamen „Martha“ erhalten. Taufzeugen waren: ….

Rosalie heißt also fortan Rosalie Martha – und schnell wird klar, weshalb sie sich christlich taufen ließ, denn nur einige Monate später – am 6. Oktober 1865 – heiratet sie in der Tragheimer Kirche den Schneidergesellen Friedrich Wilhelm Gegner aus Ponienken im Kirchspiel Eichhorn, Pr. Eylau, Sohn des Zimmermanns Wilhelm Gegner (ältester Bruder meines Ur-Ur-Großvaters Johann Ludwig) und dessen Ehefrau Justine Wilhelmine Sattler.

Der Heiratseintrag aus dem Kirchenbuch der Tragheimer Kirche

(Copuliert wurde….) Am 6(sechsten) October der Schneidergeselle Friedrich Wilhelm Gegner mit Jfrau Rosalie Martha, des verst(orbenen) Schneiders Jacob Levinsohns älteste Tochter; Er: 28 J., ledig, Eltern todt, s(eit) 5 Jahren hier; Sie: 27 J. ledig, Vater todt, immer hier, …

Zum Zeitpunkt der Eheschließung ist Rosalie Martha erneut schwanger – bereits am 22. Janaur 1866 wird in Königsberg Sohn Franz Oscar Gegner geboren. Sein Vater Friedrich Wilhelm erlebt nur die ersten Lebensmonate seines Sohnes mit, denn er gehört zu den vielen Cholera-Opfern, die im Verlaufe des Jahres 1866 in Königsberg versterben – insgesamt sind dies 2.671 Personen. Was wird nun aus Rosalie Martha?

Taufeintrag von Franz Oscar Gegner

Bis zum Jahr 1888 wird Rosalie Martha Gegner im Königsberger Adressbuch als Witwe aufgeführt:

Königsberger Adressbuch 1877

1877: GEGNER, geb. LEVINSOHN, Witwe; Bismarckstr. 8
1878: GEGNER, geb. LEVINSOHN, Witwe; Bismarckstr. 8
1881: Borchertstraße 9 (beim Tod des Sohnes Abraham)
1888: GEGNER, geb. LEVINSOHN, Witwe; Borchertstraße 21

Irgendwann nach dem Tod ihres Ehemanns nimmt Rosalie Martha Gegner ihren ursprünglichen Glauben wieder an, legt den Namen ‚Martha‚ wieder ab und bringt als Witwe weitere uneheliche Kinder zur Welt. Seltsamerweise werden zwei Söhne unter dem Namen Gegner registriert – ihre Tochter Johanna Margarethe trägt jedoch den Namen Löwensohn.

  • Carl Adolph Gegner + 1873
  • Abraham Gegner + 1881 im Alter von 15 Jahren
  • Johanna Margarethe Löwensohn *1873

Über lange Zeit wohnt der Schneidermeister M. Jacobi Tür an Tür mit Rosalie und ihren Kindern – sowohl in der Bismarckstraße, als auch später in der Borchertstraße.

1877 M. Jacobi, Schneidermstr, Bismarckstr. 8
1878 M. Jacobi, Schneidermstr, Bismarckstr. 8
1899 Borchertstraße 21 – außerdem Minna Jacobi, geb. Neumann, Schneiderfrau
1901 Borchertstraße 21 – außerdem Minna Jacobi, geb. Neumann, Schneiderfrau

M. Jacobi heißt mit vollem Namen Marcus Julius Jacobi. Er stammt aus Berent in Westpreußen – und auch in seinem Leben geht es ziemlich turbulent zu:

  • 1861 heiratet er in Königsberg Wilhelmine Neumann aus Muldszen bei Wehlau, eine Tochter des dortigen Handelsmanns Alexander Neumann
  • schon vor der Eheschließung (1860) wird Tochter Emma geboren
  • Sohn Adolf kommt 1863 zur Welt
  • Marcus Julius Jacobi.und seine Ehefrau trennen sich. Er wirft ihr vor, mehrmals die Ehe gebrochen zu haben – u.a. mit Eduard Cuhn
  • 1865 heiraten beide erneut
  • Tochter Bertha und Sohn Johann Julius werden geboren

In einem Schreiben an das Königsberger Amtsgericht berichtet Marcus Jacobi im Juli 1889: ‚Ich habe mich mit der Wilhelmine Neumann aus Muldzen Kreis Wehlau im Jahre 1861 hier verheiratet, dieselbe hat aber kurz darauf mit dem damaligen Comis Eduard Cuhn von hier die Ehe gebrochen, in folge dessen habe ich mich durch das hiesige Königl. Stadtgericht von ihr trennen lassen, einige Zeit darauf lies ich mich wieder mit ihr trauen und reichte das Ehescheidungserkenntnis ein, weil dieselbe mich bat, … sie wieder zur Frau zu nehmen, welches ich auch that. Nicht lange daruaf hat Sie wieder die Ehe gebrochen, welches ich mit Stillschweigen übersah, vor kurzem hat zum 3ten mal die Ehe gebrochen und liege ich gegenwärtig mit ihr beim hiesigen Königl. Landgericht in Ehescheidung …‘ Königsberg, d. 27.6.1889 (Quelle: Königsberger Stadtgericht; Beglaubigungsakten der Juden – hier digitalisiert)

Nach erneuter Scheidung von seiner Frau gehen schließlich Marcus Julius Jacobi und Rosalie Martha Gegner, geb. Löwensohn – die Nachbarn aus der Borchertgasse – miteinander eine Ehe ein. Ich hoffe für beide, dass sie noch einige glückliche Jahre zusammen verbringen konnten! Marcus Julius Jacob verstirbt am 1. November 1912 im Alter von fast 89 Jahren in Königsberg.

Rosalie Jacobi, verw. Gegner, geborene Löwensohn zieht von Königsberg aus nach Berlin. Am 24. Februar 1919 verstirbt sie in Berlin-Charlottenburg, in der Passauer Str. Nr. 29/30.

Über den Verbleib ihrer Kinder konnte ich Folgendes herausfinden:

  • Sohn Joseph Julius *1857 wird Uhrmacher und heiratet 1879 in Königsberg Minna Jacobi aus Pr. Stargard – die Ehe wird geschieden und 1899 lebt seine geschiedene Ehefrau auch in der Borchertstraße 21.
  • Tochter Marie *1861 heiratet 1915 als ‚Händlerwitwe Marie Treifeld‚ in Königsberg den ehemaligen Kassierer Friedrich Wilhelm Glade, der am 11.11.1864 in Königsberg geboren wurde. Auch Marie hat in Königsberg zuvor (am 27.5.1890) eine uneheliche Tochter namens Helene Löwensohn zur Welt gebracht. Marie wohnt ebenfalls in der Borchertstraße Nr. 21 und arbeitet als Aufwärterin.
  • Tochter Johanna Margarethe *1873 heiratet 1912 in Berlin den Klempner August Dieck und stirbt 1917.

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