Ein ’stilles‘ Begräbnis

Jeder, der sich mit der Erforschung seiner Vorfahren beschäftigt, bemerkt im Laufe der Zeit, dass es unterschiedliche Formen der Bestattung gab und dass in den Kirchenbüchern dementsprechend ganz unterschiedliche Beschreibungen der Bestattungs-Zeremonien zu finden sind – je nach Stand und Ansehen der Verstorbenen werden einige Personen ganz schlicht ‚beerdigt‚, andere ‚mit einer Leichenrede‚, ‚mit Sang und Klang‚ oder – wie mein Vorfahre Johann Wilhelm Hellwich 1764 in Canditten – ‚unter dem Läuten bey des Organisten Lied‘ bestattet.

Und immer mal wieder taucht in den Sterberegistern der Kirchenbücher aller Orten auch der Hinweis auf ein „stilles Begräbnis“ auf.

Bestattungen werden „in aller Stille“ vollzogen, wenn der Pfarrer einer Gemeinde dies aufgrund besonderer Umstände für geboten hält.

Still beerdigt werden in der Regel (von welchen jedoch in verschiedenen Gemeinden Ausnahmen und Abweichungen vorkommen) die zu früh geborenen Kinder …, die todtgeborenen und ungetauften; doch auch diesen würden die Feierlichkeiten, falls sie von den Eltern ausdrücklich gewünscht werden sollten, nicht verweigert werden; in den meisten Fällen werden sie jedoch nicht gewünscht. Daher setzt man sie meist in der Frühe und des Abends, gern auch Sonntags früh während des Einläutens bei, bisweilen auch mit Gesang oder sonstiger Feierlichkeit.

Ein stilles Begräbniß wird im Allgemeinen auch den unehelichen Kindern zu Theil, doch werden diese auch, eben als Getaufte, mit einfacher Feierlichkeit beerdigt, in einigen Gemeinden nur von den Lehrern ausgesungen, in andern mit Verscheide-, aber ohne Begräbnißläuten und unter Begleitung des Pfarrers, der hier die beste Gelegenheit hat, auf die Sünde gebührende Rücksicht zu nehmen, ja sogar mit kirchlicher Danksagung, anderwärts mit ähnlichen, ja mit allen kirchlichen Feierlichkeiten, außer, daß sie in die Kirche getragen werden. In noch andern Gemeinden werden nur Fremdlinge und kleine Kinder still beerdigt.

Die kirchliche Feier wird entschieden unkirchlichen Personen, Spöttern und Verbrechern, Verächtern der Kirche, die meistens nie in die Kirche getragen werden, und vorzugsweise Selbstmördern versagt. Ja diese letzern müssen im einfachen Schrein, ohne jede kirchliche Feier, hie und da nur zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang nicht durch das Thor des Kirchhofes getragen, sondern ohne Bahre auf Stricken über den Kirchhofzaun gehoben und unter demselben begraben werden; ehemals wurden ihre Leichen auch nur auf den Armesünder- oder Pestkirchhof, einem fern abgelegenen wüsten Raum auf dem Felde, hingebracht. Wo man hingegen sich scheut, den Selbstmördern ein unehrliches Begräbniß zuzuerkennen, da werden sie wenigstens mit einer Strafpredigt oder doch ohne Geläut Morgens früh zur Gruft gebracht ..‘ (Quelle: C. G. Hintz, Die alte gute Sitte in Altpreußen; Verlag Gräfe und Unzer, Königsberg 1862)

Beispiele für ’stille Bestattungen‘ aus dem Kirchenbuch von Eichhorn, Pr. Eylau:

d(en 10. Jan(uar) 1769 Nachmittags um 1 Uhr ward des Chri-
tian Borcherts, Wirths in Worglitten Ehegattin Doro-
thea geb. Haeubichin mit einer todten Tochter ent-
bunden, so den 12. Jan(uar) still beigesetzet worden
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