Posamentarier-Witwe aus Danzig verstirbt in Müggen, Pr. Eylau

In Müggen, einem kleinen Ort im Kirchspiel Eichhorn, Pr. Eylau, stirbt am 19. Februar 1755 eine alte Witwe namens Barbara. Leider wurde ihr Familienname nicht notiert – vermutlich war er den Bewohnern im Ort und dem Pfarrer gar nicht bekannt. Dennoch gibt der Sterbeeintrag im Kirchenbuch Auskunft über die Lebensumstände der Verstorbenen und – nachdem mir das Entziffern des Berufes ihres Ehemannes endlich gelungen war – habe ich viel Neues gelernt und weiß nun:

Barbara war die Ehefrau eines Posamentierers – früher auch ‚Bortenwirker‚ genannt. Dieser Beruf war mir völlig unbekannt.

Orna119-Franzen-LambrequinsPosamente (aus dem französischen passement) sind Besatzartikel, die keine eigenständige Funktion besitzen, sondern lediglich als Schmuckelemente auf andere textile Endprodukte wie Kleidung, Polstermöbel, Lampen-schirme, Vorhänge und andere Heimtextilien appliziert werden. Als Posament zählen Zierbänder, gewebte Borten, Fransenborten, Kordeln, Quasten, Volants, Spitzen aller Art, kunstvoll besponnene Zierknöpfe und Ähnliches‘. (Wikipedia)

Die Abbildung stammt aus: Franz Sales Meyer – A handbook of ornament (1898)

Auch 1817 sind im Adressbuch von Danzig noch eine ganze Reihe von Posamentierern aufgeführt.

Danzig_Adressbuch

Dach zurück zu Barbara. Sie war erst 14 Tage vor ihrem Tod in Müggen angekommen -nach einer langen und vermutlich beschwerlichen Reise. Bei der Belagerung Danzigs, die bereits im Jahre 1734 stattgefunden hatte, hatte sie all ihr Hab und Gut und wohl auch ihren Ehemann verloren, war aus der Stadt geflohen und letztlich in Müggen ‚gestrandet‘.

Hintergrund der Belagerung Danzigs war der Polnische Thronfolgekrieg (1733–1738), in den mehrere Länder verwickelt waren und über den an vielen Stellen berichtet wird. Eine besondere Rolle spielt dabei u.a. der aus Neuenhuntorf bei Oldenburg stammende Graf Burkhard Christoph von MünnichAls Generalfeldmarschall und Anführer der russischen Armee eroberte er 1734 Danzig, ’schlug die Unruhen in Warschau nieder und übernahm in der Ukraine den Oberbefehl gegen die Türken. Im Russisch-Österreichischen Türkenkrieg verwüstete er 1736 die Krim, im gleichen Jahr wurde er mit den Weißen-Adler-Orden ausgezeichnet. 1736 wurde er zudem Generalissimus aller russischen Armeen‘ ….(Wikipedia).

Bei dieser Belagerung ‚wurden allein 4430 Bomben in die Stadt geworfen, und dadurch 1800 Häuser zum Theil bedeutend beschädigt und 1500 Civilpersonen getödtet oder verwundet‘. (K. Hoburg, ‚Die Belagerung der Stadt Danzig im Jahre 1734‘; Danzig 1858; Seite 61).

Die Witwe Barbara muss demnach 20 Jahre lang unterwegs gewesen sein bevor sie letztlich in dem kleinen natangischen Ort Müggen landete. Nachfolgend ihr Sterbeeintrag aus dem Eichhorner Kirchenbuch:

Sterbeeintrag_1755_Eichhorn

‚Den 19. Febr(uar) starb in Miggen (=Müggen), eine alte Wittwe, Barbara …., deren Mann in Danzig ein Bortenwürcker gewesen, und in der Belagerung, da sie alles ihrige verlohren, nach Preußen geflüchtet seyn soll, nachdem sie 14 Tage vorher dahir gekommen; und ward den 20. Febr(uar) wegen äußerster Armuth ganz stille begraben. Die Kirche bekam nichts‘.

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Eine Antwort zu Posamentarier-Witwe aus Danzig verstirbt in Müggen, Pr. Eylau

  1. Elke Cybulla sagt:

    Hallo liebe Frau Gegner-Sünkler,
    ich bin schon lange regelmäßige Leserin Ihres Tagebuches und freue mich über jede neue Veröffentlichung. Ich komme aus einer Kleinstadt im Badischen. Wir hatten ein Kurzwarengeschäft in meiner Kindheit und Jugend und wenn man dahin geschickt wurde, um etwas einzukaufen, dann hieß es z.B.: „Geh zum Bosamenter und kauf‘ weiße Zackenlitze!“ Erst als Jugendliche hat mir meine Mutter erklärt, dass ‚Bosamenter‘ die dialektale die Bezeichnung des Geschäfts war und nicht der Name des Eigentümers. Im Badischen hatten wir wegen der Nähe zu Frankreich viele französischen Begriffe in der Sprache. Das hat nachgelassen, aber meine Oma sagte noch für „zurück“ „retour“ oder wir sagen bis heute „Trottwa“ für Gehsteig (frz. trottoire).
    Die Großeltern meiner Mutter kamen aus zwei süddeutschen kleinen Orten für die es Ortssippenbücher gibt. Da war die Forschung einfach. Aber nun möchte ich mich der Herkunft meines Vaters widmen. Er kam aus Groß-Stürlack, Kreis Lötzen in Ostpreußen. Das erscheint mir so viel schwieriger, zumal es wohl keine Bücher aus dem Kirchspiel mehr geben soll.
    Auf ihrer Homepage schöpfe ich den Mut, es doch zu probieren… und ich freue mich darauf. Bin gespannt, ob ich es auch einmal soweit bringe wie Sie! Bitte arbeiten Sie immer weiter… 🙂 Ich lese Ihre Texte so gerne!
    Schönes Wochenende
    Ihre Elke Cybulla

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