Er wäre nicht werth, ein Preuße zu heißen!

Bei der Recherche meiner Vorfahren interessieren mich von jeher nicht nur ihre Namen und Daten – ich bemühe mich immer, möglichst viel über ihre Lebensumstände herauszufinden. Ich versuche, mich in ihre Zeit und ihren Lebensraum zu ‚beamen‘, weil ich wissen möchte, unter welchen Bedingungen sie lebten, welchen Einflüssen sie ausgesetzt waren und wie sie sich dabei wohl gefühlt haben mögen ….

Das Leben meiner ostpreußischen Vorfahren in der Gegend von Landsberg, Pr. Eylau, wird ganz besonders stark beeinträchtigt von den Auswirkungen der Napoleonischen Kriege. Familien, die in und um Landsberg herum lebten, konnten sich den Kriegswirren gar nicht entziehen, da sich die Soldaten mehrfach in der Stadt aufhielten oder durch ihre Heimatorte zogen, an verschiedenen Stellen biwakierten und von den Anwohnern verpflegt werden mussten.

Als der nachfolgende Aufruf des preußischen Generals von Bülow im Dezember 1813 im ‚Amts-Blatt der Königlich Preußischen Regierung‚ veröffentlicht wird, ist die berühmte Schlacht bei Pr. Eylau bereits geschlagen – die kriegerischen Auseinandersetzungen dauern jedoch an und es werden nach wie vor junge Männer benötigt, die bereit sind, für König und Vaterland ‚ins Feld der Ehre‘ zu ziehen!

Kavallerieangriff zu Eilau, Gemälde von Jean-Antoine-Siméon Fort (1793–1861). Marschall Murat attackiert mit 10.700 Mann die russischen Linien (Wikipedia)

Im Jahr 1813 ist mein Vorfahre Ernst Wilhelm Gegner 31 Jahre alt und lebt als Leinewebermeister und Krüger in EichhornFriedrich Westphal (34) ist Müller in Eichen Carl Matern (ab 1818 in Hoofe) ist 31 Jahre alt. Sie werden sicherlich bereits gekämpft haben. Von Carl Matern weiß ich dies mit Sicherheit, da ihm 1864 für seinen Dienst am Vaterland‚ eine Erinnerungs-Kriegs-Denkmünze verliehen wird.

Aber wie mag Carl Sigismund Ankermann, der zu dieser Zeit als 14jähriger Jugendlicher im Kruge von Groß Peisten lebt, auf einen solchen Aufruf reagiert haben …?

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Koenigsberg_1813.jpg

Aufruf an die Jünglinge des Vaterlandes

Ein Jahr ist beinahe verflossen, seitdem unser geliebter Monarch die Jünglinge aus Seinen Staaten zur Rettung des Vaterlandes, zur Rettung unserer Freiheit und Selbständigkeit zu den Waffen rief. Mit hohem Muthe folgte die Blühte unserer jungen Männer der Stimme ihres Königs; – sie drängten sich zu seinen Fahnen, zu fechten für die gerechte heilige Sache; große Opfer wurden von allen Seiten ohne Unterschied des Standes und Geschlechts gebracht, und das Vaterland, Teutschland ist frei geworden. Aber noch ist der große Zweck unsres Kampfes nicht erreicht, noch verschmäht der stolze Unterdrücker den gerechten dargebotenen Frieden! Eher dürfen unsere Anstrengungen nicht aufhören, bis dieser erkämpft ist.

Von den edlen Jünglingen, die sich vor einem Jahre bei den freiwilligen Detachements sammelten, hat seitdem Mancher mit seinem Blute ehrenvoll die Siege erringen helfen, die unsern National- und Waffenruhm so hoch verherrlicht haben, viele sind mit Beförderung in die Armee versetzt. Diese schönen Institute, durch die höchsten Bürgertugenden, Vaterlandsliebe und Heldenmuth gebildet, bestimmt, die Pflnazschule für die Offiziere der Armee zu werden, müßten endlich aussterben, wenn sie keinen Zuwachs erhielten.

An Euch, Ihr Jünglinge meines Vaterlandes, wende ich mich daher, die Ihr früherhin vielleicht noch nicht das erforderliche Alter und die Kräfte hattet, um mit den Gefährten Eurer Jugend ins Felde der Ehre zu ziehen, oder die Ihr durch irgend eine andere Ursache damals von Eurem Vorsatz abgehalten wurdet. Kommt, eilt zu den Panieren Eures Königs und Vaterlandes; schließt Euch an Eure vaterländischen Regimenter an! Ehre, Ruhm und Beförderung warten Eurer. Mit Freundschaft werdet Ihr unter uns aufgenommen werden! Die respektiven Gouvernements und Eure Obrigkeiten werden Euch zu Eurer Reise alle mögliche Hülfe leisten.

Wer von Euch könnte taub bei der Stimme des Vaterlandes und der Ehre bleiben? Gewiß ist keiner unter Euch, der in Zukunft erröthend sagen müßte: ich allein, ich habe für König und Vaterland nicht gefochten, und ich allein habe an dessen Ruhm und Siegen keinen Theil. Er wäre nicht werth, ein Preuße zu heißen! Das Vaterland müßte ihn mit Unwillen ausstoßen, und den Namen Sohn verweigern.


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