Ich möchte immer möglichst viel über die Lebensumstände meiner Vorfahren wissen und stelle mir deshalb eine Reihe von Fragen:
- Welche Ereignisse mögen ihr Leben besonders beeinflusst haben?
- Welchen Nöten und Misständen waren sie ausgesetzt?
- Wovon haben sie sich ernährt?
- Worüber konnten sie sich freuen?
- und vieles mehr …
Ich stelle mir aber auch vor, wie sie wohl ausgesehen haben mögen.
Ähnelten meine prußischen Ahnen – die Tolkmitts, Söcknicks und Politts – diesem Herrn, der heutzutage in der Marienburg ausgestellt wird und angeblich das Bild eines prußischen Bauern verkörpert ….?
Oder ähnelten sie der des Historikers Christoph Hartknoch (1644-1687) in seinem Buch ‚Alt- und Neues Preußen‘ gezeichneten Person?
Seit Beginn des 17. Jahrhunderts findet man in vielen preußischen Regionen Kleiderordnungen, die genauestens vorschreiben, welche Kleidungsstücke den Bewohnern zu tragen gestattet und welche ihnen verboten sind. Ziel ist vor allem, die Stände in ihrem äußerlichen Erscheinungsbild deutlich voneinander abzugrenzen. Die folgende Gesinde- und Kleiderordnung wurde im Jahre 1633 in Königsberg veröffentlicht. (Man findet sie hier!)
Es werden strikte Vorschriften erlassen – Dienstmädchen in den Städten wird das Tragen von ‚abgesatzten Schuen‘, ‚Sammet und Seiden‘ oder das Einflechten fremder Haare bei Strafe untersagt. Zur Begründung wird angemerkt: ‚Da die Dienstmägde mit Tragung der verbottenen Zöpffe, als auch seiden Flor umb den Halß, sich würden herfür thun, sollen ihnen die Zöpffe und Flor, von den Häuptern in ihrer Frawen Häusern, genommen werden. Dienstmädchen auf den Höfen sind ‚sammete Börtchen‚ dagegen erlaubt. Für Freie, Schulzen und Krüger und deren Familienmitglieder gelten andere Gesetze – sie dürfen beispielsweise silberne Knöpfe oder Gürtel tragen!
Bei diesen Vorfschriften geht es sowohl um die Materialien, aus denen die der Bekleidung hergestellt werden darf – aber auch um Verzierungen oder die Verwendung bestimmter Farben. So wird den niederen Ständen nur gestattet, inländische Stoffe wie Leinen, Hanf oder Wolle zu verarbeiten – höhere Stände dagegen dürfen auch Kleidung aus importierter Seide tragen. Die Farbe Blau, deren Herstellung besonders kostspielig ist, bleibt dem Adel vorbehalten.
Auf dem Lande werden die Pfarrer angewiesen, die Einhaltung der Kleiderordnung zu überwachen und niemanden zu trauen, der dagegen verstößt – in Städten kontrollieren die jeweiligen Obrigkeiten. Verstöße gegen die Kleiderordnung werden streng bestraft.
Von Gesind- unnd Kleider Ordnung, auch von Annehmung unnd Belohnung der Dienstboten, Arbeiter und Taglöhner, Item, von Werbung unnd Entlauffung der Unterthanen im Hertzogthum Oreussen, revidiret auffm öffentlichen Landtage zu Königsberg, Anno 1633.
Von der Gesind Kleider Ordnung
Cap. I
Also wird es wegen der Kleider Ordnung dahin gestellet, daß bey Freyen, Schultzen, Krügern und dero Weibern, Söhnen unnd Töchtern alle seidene Gezeug durchauß verboten, Lündisch Tuch aber, doch die Ele höher nicht als zu fünff Marck, wie auch silberne Gürtel, silberne Knöpffe, Paternoster, Spangen und dergleichen alles unvergüldet ihnen zu tragen hiemit zugelassen seyn sol.
Ebenmessig wird den Pawren, dero Weibern, Söhnen unnd Töchtern, ohnen allen unterscheidt, kein Seiden Gezeug verstattet, sondern es sollen sich dieselben in gemein Inländisch Preusch Tuch, oder die Knechte in Semisch zu kleiden schuldig seyn. Daneben wird ihnen, gleich der Freyen, Schultzen und Krüger Weiber, Söhnen und Töchtern, silberne Gürtel, und was oben specificiret, an ihrem Leibe zu tragen, hiemit nachgegeben.
Den Dienstmägden in Städten, sol Sammet und Seiden, Adlassen Zöpffe, auch grosse eingeflochtene frembde Haar verboten sey, Kartecken Zöpffe aber, und höher nicht, mögen sie tragen, Und da die Dienstmägde mit Tragung der verbottenen Zöpffe, als auch seiden Flor umb den Halß, sich würden herfür thun, sollen ihnen die Zöpffe und Flor, von den Häuptern in ihrer Frawen Häusern, genommen werden. Also soll ihnen auch allerley seiden Gewandt zu Schauben und Kragen verbotten seyn, sondern ein schlecht Grobgrün zur Schrauben, und Gewandt zu Röcken, unnd über 4 oder 5 Marck nicht werth, doch ungebremet, zu Kragen aber gemein Tripp, Hundeskoth, Grobgrün1 und was darunter, ohne samete Gebreme2, soll ihnen zu tragen frey seyn. Doch soll keine einige Dienstmagd Wollen oder Rechtsammete Korcken tragen, bey verlust der Korcken, und straff des Thurms. Item, Brillen, und auch abgesatzte, und Korduanische Schue sollen ihnen auch verbotten seyn.
Auffm Lande aber in Höfen, bey den Freyen, Krügern, Schultzen und Pawren, wird den Dienstknechten, Jungen und Mägden, zu ihrer Kleidung ein mehrers nicht gestattet, als Leder, Barchen, Leinwandt, und allerley gemein Tuch, so dieser Orthe gemachet wird, Und wird ihnen hieneben verboten, allerhand verbremete Kleidung, sampt allen seidenen Wahren, gestrickte Strümpffe, Mardern Mützen, Korck Schuhe, neben allem, was ihrem Stande zuwieder ist, bey verlust der Kleider, doch, was wol verdiente Hofleute, Knecht und Mägde in Höfen seyn, ist denselben ein ehrlich Kleyd von Lündischen Tuche, die Ele zu dreyssig Groschen Polnisch, wol zu zulassen, Inmasen auch den Dienst Mägden Sammete Börtchen auff dem Lande, zu tragen, sol unverboten seyn.
Weil auch in wenigen, und kurtzen Jahren, die grosse Gekröse3 an den weissen Kragen, sehr eingerissen, so sol allen Dienstmägden, Ammen, Warts– und Dienstweibern, die grosse Gekröse von vielen Schrotten4, und thewren vornehmen Leinwandt, gänzlich verbotten seyn, sondern schlechte Gekröse, oder umbschlagende Koller5, von zehen groschen werth, ohne Nehewerck und Krönichen, mögen sie tragen. Welche Magd, Amme, Warts- und Dienstweib aber über das geschehene verwarnen, mit einem grossen, oder auch blaw gefärbten Gekröse, oder gekröneten blawen Haube, dieser Ordnung zuwieder betroffen wird, dieselbe sol gestraffet, unnd ihr das Gekröse unnd Haube genommen werden.
Der Freyen; Schultzen, Krüger und Pawren Weiber und Töchter sollen keine seidene Mützen tragen, sondern allein von Tripp und Grobgrün, sonsten sol ihnen Zobeln oder Mardern Breme auff Mützen oder Peltzen hiemit gesetzlich verboten seyn.
Es sol bey allen Kirchen, von aller Obrigkeit auff solche Kleider Ordnung fleissig Auffsicht gepflogen werden, daß niemand solche überschreite, und wer sich dawieder zu handeln unterstehen würde, dem sollen die Kleider hinweg genommen werden. Und da jemandt Herren- oder Adelstandes, bey seiner Kirchen und Gerichten, die Auffsicht nicht pflegen wolte, so sol der Hauptmann des Orts, wanns ihme angezeiget, in derselben Herren, oder Edelmanns Gerichten zu exequiren schuldig seyn, bey Poen zwantzig Gulden Ungr. Eylig zu erlegen, wann ers auff ersuchen sich zu thun verweigert. Es sollen auch die Prediger solche Leute, so wieder diese Kleider-Ordnung handeln, nicht zusammen Träwen (trauen), bis sie sich der Ordnung untergeben, bey straff zwantzig Marck, welche ihnen von ihrer Besoldung zu kürtzen, so offt sie verbrechen. Bey den Städten aber sol die Execution, durch die verordnete Obrigkeit jedes Ortes, bey der Oberherrschafft geschehen.