Hexenprozess in Groß Lauth, Pr. Eylau – 1686

Ort und Begüterung Groß Lauth (Lauth wird auch Lawdt geschrieben) im Kirchspiel Jesau, Pr. Eylau, sind heute ein Teil von Newskoje in der russischen Oblast Kaliningrad. Über lange Zeit befindet sich Groß Lauth im Besitz der Familie von der Rippe.

Aus den Steuereinnahmen des Amtes Brandenburg von 1664

Im Jahr 1686 wird der Name Groß Lauth durch einen Prozess bekannt, in dem die Witwe Anna Bergau, deren Mutter bereits kurz zuvor in Mühlhausen verbrannt worden war, der Hexerei und Zauberei beschuldigt und angeklagt wird.

‚Unter der großen Anzahl der Hexenprozesse, von denen die Acten bereits bekannt gemacht sind, findet sich, soweit den Herausgebern bewusst ist, keiner, welcher in Preußen geführt wurde und nur wenige zeigen in einem solchen Grade wie der nachfolgende, bis zu welcher Macht über Vernunft und Menschlichkeit sich der Aberglaube erheben konnte. Möge der Blick, den uns auch diese aus den Original-Acten wörtlich und vollständig abgedruckten Verhandlungen in die Vorzeit gewähren zu einer gerechten Würdigung der Gegenwart beitragen und in der Überzeugung, dass es besser geworden ist, beitragen‘ heißt es im Vorwort zu diesem 1821 in Königsberg veröffentlichen Bericht in Band 4 der ‚Beiträge zur Kunde Preußens. (Seite 50 bis Seite 70)

Das Dorf Groß Lauth – links die alte Mühle (Bildarchiv Ostpreußen)

Ich gebe den Verlauf des Prozesses hier verkürzt wieder. Er dauert vom 22. Januar 1686 bis zum 27.3.1686 und es werden zahlreiche Zeugen vernommen:

Die Nennung ihrer Namen ist auch im Hinblick auf die Ahnenforschung interessant, da aus dieser Zeit keine Kirchenbücher des Kirchspiels Jesau mehr erhalten sind. Die noch vorhandenen Kirchenbücher beginnen erst im Jahr 1740.

Wilhelm Schulter, 40 Jahre alt, Hirt in Groß Lauth, berichtet, man habe ihm im Jahr zuvor Brot gestohlen, das der Angeklagten Anna Bergau gegeben worden sei. Nachdem diese von der Hofmutter bestraft worden wäre, hätten sich seine Augen, die zuvor nur ein wenig geschmerzt hätten, derart verschlechtert, dass er kaum noch etwas sehen konnte. Erst nachdem die ‚Herrschaft sie desfalls bedrauet und hart zugeredet‘, hätte sich seine Sehkraft wieder verbessert.

Else Horn, 40, Ehefrau des Gärtners Görge Horn gibt an, die Angeklagte sei – während sie von ihrem Mann bewacht wurde – zweimal geflohen. Unmittelbar nachdem sie ihr vorgeworfen habe, ihrem Mann soviel Mühe zu machen, seien ihre Kühe erkrankt. Sie hätten keine Milch mehr gegeben.

Barbara Klehn, 42, die Gattin des Hofmanns sagt aus, die in Mühlhausen kurz zuvor verbrannte Hexe namens Else habe ihr mehrmals im Gutshof und in Vierzighuben erzählt, dass die ‚Bergausche‘ schuld daran sei, dass es dem Herrn Lieutenant (dem Gutsherrn) so schlecht ginge – wenn man sie bestrafen würde, würde es ihm wieder besser gehen.

Barbara Pohl erzählt dasselbe …

Gottfried BruchhausenDiener im Hofe Groß Lauth – bestätigt und beschwört, dass die verbrannte Else von der Schuld der Inhaftierten gesprochen habe und auch davon, dass diese das Bad des Gutsherrn verdorben habe – dieser wäre sonst längst wieder gesund.

Auch Hans Zorn hat gehört, dass Else von der Schuld der Inhaftierten gesprochen habe – sie habe nicht ihre Mutter gemeint, sondern die Angeklagte Anna Bergau selbst. Diese habe den Herrn Lieutenant verhext.

Maria Zorn sagt dasselbe aus.

Catharina Steinhagen, die Ehefrau des Müllers Christoph Steinhagen weiß zu berichten, Anna Bergau sei am Weihnachtsabend vor 2 Jahren zu ihr gekommen und habe sie um Bier gebeten. Sie habe ihr keins gegeben und sofort sei ihr Hund sehr krank geworden – er habe Halsschmerzen bekommen, sich übergeben und ‚mit den Füßen nach dem Maul sich gerißen‘. Dieser Zustand habe acht Tage lang angehalten. Am Neujahrstag sei Anna Bergau wieder gekommen und habe um Pfefferkraut gebeten. Als sie ihr auch dies nicht gegeben habe, sei das Auge ihres Mannes ‚sehr schlimm geworden‘ – erst nachdem sie sich bei anderen darüber beklagt und ihren Verdacht geäußert habe, seien Mann und Hund wieder genesen.

Das spätere Gutshaus (Bildarchiv Ostpreußen)

Barbara Hübner, 40, die Ehefrau des Gärtenierers Christian Hübner sagt aus: vor einem Jahr sei Anna Bergaus Bruder aus Pillau entlaufen. Er habe den Gutsherrn darum gebeten, ihn loszukaufen – das habe dieser jedoch abgelehnt. Der Bruder habe sich bei Anna Bergau aufgehalten. Dies habe man der Gutsherrschaft berichtet, die ihn ‚in Eisen schließen‘ ließ. Er sei jedoch heimlich wieder zu seiner Schwester gegangen und von dort aus entflohen. Nachdem der Gutsherr Anna Bergau befohlen habe, ihren Bruder zurück zu holen, sei der Herr so krank geworden‚ ‚dass er ein großes Zittern in allen Gliedern empfunden, und mehr tod als lebendig gewesen‘. Die Gutsherrin habe der Angeklagten daraufhin gedroht – erst dann sei ihr Mann wieder gesund geworden.

Jacob Bergau, 6 Jahre alt, Sohn der Angeklagten, erzählt u.a.: fast jede Nacht, wenn er bei der Mutter gelegen habe, sei ein schwarzer Kerl namens Johannes gekommen und habe sich zu der Mutter ins Bett gelegt. Beide hätten sich auch unterhalten, aber er habe nichts verstehen können. Außerdem habe die Mutter immer Haar in ihrer Tasche gehabt – auch dem Lieutnant von Ripp habe sie Haare nachgeworfen. Später – als dieser sich entfernt hatte – habe sie diese Haare wieder aufgehoben, in ihre Tasche gesteckt und abends unter ihr Kopfkissen gelegt. Auch nachdem man dem Jungen vorhielt, er sei wohl von anderen zu dieser Aussage überredet worden, bleibt dieser bei seiner Aussage …

Gr. Lauth – Parkallee vom Gutshaus aus (Ostpreußen – Dokumentation einer historischen Provinz – phograph. Sammlung desProvinzialdenkmalamts Königsberg)

Die damaligen Gerichtsgeschworenen Gerge Feyerabend und Christoph Pohl – die bereits an dem erwähnten Prozess in Mühlhausen teilgenommen hatten – kommen ebenfalls zu Wort und berichten u.a., dass auch die in Mühlhausen verbrannte Else Anna Bergau beschuldigt habe.

Anna Bergau wird mit all diesen Zeugenaussagen konfrontiert. Sie bestreitet sämtliche Vorwürfe und wird erneut inhaftiert. Sohn Jacob wird zur Hofmutter ins Vorwerk ‚Korwingen‘ gebracht (damit ist vermutlich das Vorwerk Carwinden gemeint).

Es folgen weitere Verhandlungstage und immer wieder beteuert Anna Bergau ihre Unschuld. Sie wird als ‚halsstarrig‚ und ‚boshaftig‚ beschrieben und sei sehr verdächtig mit Gebehrden – wenn sie weinen wolle, könne sie ’nicht einen Thran lassen oder zu wege bringen‚.

Auch Sohn Jacob wird erneut vernommen – er berichtet abermals von dem Schwarzen Kerl namens Johannes, der auch ihn immer mal wieder aufsuche. Er habe ihm aufgetragen, er sollen beten, ‚daß seine Mutter lößkäme und seine Mutter wäre sein Weib und er (,) Jacob(,) sein Sohn und hätte ihm auch die Hand darauf geben müssen, so gantz kalt und schwartz gewesen wäre‘ ….

Der Bericht des Gutsgerichts wird auch im Königsberger Rat besprochen – die Ausführungen des Patrimonalgerichts werden für rechtens erklärt und von Melchior Ernst von Kretyzen im Namen des Hofgerichts bestätigt.

Am 20. März 1686 bekennt Anna Bergau schließlich: ihre Mutter, die 3 Monate zuvor in Mülhausen verbrannt wurde, sei eine böse Mutter gewesen – sie habe ihr den ‚Geist Johannes‚ zugeführt, mit dem sie seitdem zusammen gelebt habe – auch einige Kinder seien geboren worden, diese seien schwarz gewesen und hätten ein Menschengesicht gehabt. Ihr Bruder könne ebenfalls hexen – er habe dies während des Krieges bei einer Frau in Creuzburg gelernt.

Nach wie vor weist Anna Bergau einige der Anschuldigungen zurück, gibt aber zu, dass sie eine Strafe verdient habe . Für ihren Sohn bittet sie, ‚daß er vom Geist entledigt werden, und Sie wolle auch mit dem Herrn Pfarrer fleißig beten, daß Gott ihrer armen Seele gnädig sei‘

Anna Bergau wird ‚Ihrer grausamen begangenen Teuffeley und Zanteley halber mit dem Feuer vom Leben zum Tode comdemniret und verdammet‘. Sohn Jacob soll zur Heiligen Andacht und zum Gebet angehalten – evtl. auch in ein Krankenhaus gebracht werden – ‚bis er solchen aufgebanneten bösen Geistes völlig befreyet wird‘.

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Eine Antwort zu Hexenprozess in Groß Lauth, Pr. Eylau – 1686

  1. Frank Steinau sagt:

    Toller Bericht – erschreckend – und ich dachte, dass die Hexenverbrennung eher im Westen stattgefunden hatte – aber das ist wohl überall gewesen. Danke! Viele liebe Grüße aus Flensburg, Frank

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