Ich beginne, zu verstehen …

Die momentane gruselige Pandemie-Situation hat mich dazu gebracht, mich noch einmal mit der Geschichte der Pest in Ostpreußen zu beschäftigen. Wenn ich früher etwas darüber gelesen habe, war das alles ‚weit weg‚. Es war Geschichte – eine schwierige Lebensphase meiner ostpreußischen Vorfahren, die diese vor mehr als 300 Jahren durchleben mussten, die jedoch mit mir selbst nicht viel zu tun hatte.

Wenn ich jetzt darüber lese, geht es mir ganz anders. Alles rückt näher und ich beginne zu verstehen, wie sich meine Vorfahren gefühlt haben müssen …

Heute ist es nicht die Pest, die uns heimsucht – unser Feind heißt Corona. Anders als vor 300 Jahren haben wir wesentlich bessere Möglichkeiten, uns zu schützen – die medizinische Versorgung ist in keiner Weise vergleichbar – dennoch gibt es auch Parallelen! Und auch wir spüren die Bedrohung – viele von uns fürchten sich vor Einschränkungen und möglichen Auswirkungen.

Ein Blick zurück: Nach Ausbruch der Pest-Epidemie werden am 4. September 1709 in Königsberg eine Reihe von notwendigen Verhaltensmaßregeln verkündet, die mit folgenden Worten eingeleitet werden: Seine Königliche Majestät in Preußen, Unser Allergnädigster Herr, haben zu Abwendung der von einigen benachbarten Orthen wegen der verderblichen Contagion androhenden Gefahr höchst nötig befunden, folgendes heylsame Reglement aus landesväterlicher Vorsorge emaniren zu lassen‘:

Angeordnet wird u.a.:

  • Bey allen kleinen Städten, Flecken, Dörffern und Höfen, sind Thore und Schlagbäume, auch Hecken, wo noch keine seyn, zu machen.
  • Sobald es dunkel wird, müssen alle Schenck-, Wein- und Bier-, Brandwein-, Thée-, Cofée- und Tobacks-Häuser geschlossen, auch nach 10 Uhr kein Wein, Bier oder Brandwein über die Gassen gefolget werden …
  • In den kleinen Städten, Flecken, Dörffern, Höfen und Krügen, soll Niemand von Freunden, Bekandten, Dienstbothen oder sonst daselbt Bürtigen, noch ein Frembter ein- oder durchgelassen und noch viel weniger in die Gebäude auff- oder zu beherbergen eingenommen werden …
  • Sollen alle öffentliche und heimliche Zusammenkünfte und Zechen … in den Städten und uf dem Lande bis zu weiterer Verordnung gäntzlich verbohten seyn.
  • Es sind die Einwohner und Bürger bey schwerer Straffe zu halten, dass sie ihr Gesinde, wenn es kranck, nicht verjagen, sondern sofort solches den Medici und Chirurgoren ansagen sollen …
  • Es müssen die kleinen Städte bemühet seyn, wie ihnen denn solche bey harter Ahndung anbefohlen wird, dass sie sich mit allerhand Wahren und Victualien versehen, damit der Landmann in der Noth solches von ihnen haben könne …
  • So von denen … einige verdächtg wegen der Infection wären, die sind sofort heraus und in die Wälder zu schaffen, damit sie in selbigen eine Zeitlang von den Unverdächtigen abgesondert bleiben, bis man siehet, dass ihnen nichts schadet, doch soll ihnen indessen, was sie an Speise und Tranck, Arztney, Kleidung und sonst nöthig, von ferne hingesetzet werden. (Quelle: Wilhelm Sahm, Geschichte der Pest in Ostpreußen. Leipzig 1905)

Heute werden wir nicht auf diese Weise überrollt von der Epidemie – wir werden gut informiert und sind in der Lage, uns viel besser zu schützen und zu versorgen. Im Falle einer Infektion werden wir nicht in die Wälder geschafft, sondern medizinisch betreut!

Aber wir dürfen nicht leichtfertig handeln, müssen die notwendigen Empfehlungen befolgen und uns solidarisch verhalten – in unser aller Interesse und in Verantwortung für unsere Nachkommen!

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort zu Ich beginne, zu verstehen …

  1. Astrid sagt:

    Vielen Dank, liebe Irmi, für den Text – hochinteressant!

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.