Im Jahre 1784 übt Ludwig Leopold Laudien für einige Zeit das Amt des Organisten in der Kirche von Borken aus. Am 11. August wendet er sich mit einem Brief an den Vorsitzenden des Ospreußischen Konsitoriums in Königsberg. Er schreibt:
Hochwürdiger und Hochwohlgebohrer Herr, Sr. Königl(ichen) Majestaet von Preußen hochbetrauter wirklich Geheimter Etaats und Krieges Ministre Obermarschall und President Ew. Königl. Hochverordneter Ostpreuß. Consistorii, wie auch Johanniter Ritter!
Gnädiger und höchgebiethender Herr!
Ewr. Excellence werden es nicht in Ungnaden bemerken, wenn ich mich unterwinde, aus größter Noth gedrungen Höchstdieselben in Unterthänigkeit anzutreten. Da ich die hohe Gnade hatte, um die vacant gewesene Organist=Stelle in Borcken demüthigst zu bitten,so hörte ich aus Ewr. Excellence Selbst eigenem hohen Munde, die für mich anjetzo so tröstliche Worte/ was will er da, die Stelle ist schlecht, das Borcken hat mir gehöret, und ich kenne es. So nehme demnach in Rücksicht dergl. von Ewr. Excellence Selbst mir gnädigst gegebenen Versicherung des schlechten Organist=Dienstes allhir zu dero hohen Huld und Gnade meine unterthänigste Zuflucht, in zuversichtlicher Hofnung, daß ich in meinem nothdringensten Gesuch zu reüssiren mich getröste.
Es ist nach der Resolution des Creyß Justiz Raths Lindenblatt in Preuß. Eylau das Trinitatis Quartal c., welches 7 Fl. beträgt, der hiesigen Kirchen Casse zugefallen, so habe auch nicht das geringste, wovon ich mich und meine betagte und gebrechliche Mutter, fast den Sommer hindurch ernähren kann, bis kommenden Herbst, da ich annoch die Helfte nicht allein der allhier ungemein wenigen Calende, sondern auch sogar des sehr unbeträchtlichen Schulgeldes der hinterlaßenen Wittwe abzugeben, von besagtem Justice Rath beschieden worden bin, und so das ganze künftige Jahr hindurch von den halben Einkünften leben muß. Ewr. Excellence flehe demnach aufs demüthigste und allerbeweglichste an, auch mich als einen gantz armen Anfänger, da ich als ein Litteratus nur lediglich von den Kirchen und Schul=Einkünften leben muß, gnädigst zu reflectiren, und aus hoher Gnade und Erbarmen, mich nicht nur mit dem Trinitatis Quartal c., sondern auch, damit ich bey meinem sehr mühsamen, und sehr wenig einträglichen Amte nicht den Muth sinken laße, sondern vielmehrzu einer eifrigen Verwaltung deßelben eine kräftige Ermunterung bekomme, mit einer gnädigsten Zulage aus der hiesigen Kirchen=Casse allergnädigst zu erfreuen. Bey so bewandten der Wahrheit gemäßen Umständen lebe der gewißesten Hofnung, daß diese demuthsvolle Zeilen mit dem allererwünschten Erfolg gnädigst werden gecrönet werden.
Der ich in tiefster Submission ersterbe – Ewr. Excellence unterthänigster Knecht L. Laudien
Kirchdorf Borcken bey Bartenstein, d. 11. August 1784
3 Monate später – am 18. November 1784 – heiratet Ludwig Leopold Laudien in Borken Catharina Elisabeth Kosiorowsky aus Markienen.
Die ‚demuthsvollen Zeilen‘ Ludwig Leopold Laudiens bleiben ohne Erfolg – im Gegenteil: Er wird aus dem Amt entlassen! Im April des nachfolgenden Jahres ergeht folgendes Schreiben des Ostpreußischen Konsistoriums an den König, aus dem der Grund seiner Entlassung hervorgeht:
Königsberg, den 19. April 1785
Das Ostpr. Constorium berichtet wegen des von dem Organisten Laudien in Borcken gegebenen Scandals und der ihm solcherhalb ertheilten Dismission, auch in Ansehung eines Subjecti zu Wiederbesetzung dieser nunmehr vacanten Organisten=Stelle in der Bartensteinschen Inspection.
Ewr, Königl. Majestät müßen wir hiermit pflichtschuldigst referiren, wie wir den im vorigten Jahr angesetzten Organisten Laudien in Borcken, wegen der von ihm mit einigen seiner Schulmädchen respect. Von 7 und 12 Jahren begangenen schandbaren Handlungen, wodurch er sich zum Anstoß und Ärgernis der dortigen Gemeine und der Schuljugend dergestalt verächtlich und gehäßig gemacht hat, daß er nicht länger bey seinem Dienste gelaßen worden können, die dimission es officio ertheilet haben. Bey dieser Gelegenheit geben wir zugleich dem Ertzpriester Licht in Bartenstein auf, uns zur Wiederbesetzung dieser Borckenschen Organisten Stelle, ein anderweitiges tüchtiges Subjectum, welches das Orgelwerck tractiren kann, in Vorschlag zu bringen. Hierauf hat nun gedachter Ertzprister Licht den bisherigen Schulmeister Poerschke aus dem Dorfe Steinberkel (Steinbeckellen), welcher nach dem original Anschluß ein gutes Zeugnis von dem Steinbeckschen Pfarrer Hoffmann erhalten, auch nach dem Bericht des Ertzpriesters das kleine Orgelwerck in Borcken zu tractiren weis. Ew. Königlichen Majestät stellen wir es fortmehro in Unterthänigkeit anheim, ob Höchstdieselben den gethanen Vorschlag allerhöchst zu genehmigen und den erwehnte Poerschke, der im Dexenschen Schulmeister Seminario prosporiret seyn soll, zum Organisten in Borcken in hohen Gnaden zu bestellen, geruhen wollen. Wir ersterben in aller Ehrfurcht und Treue.
Nach seiner Entlassung wird Ludwig Leopold Laudien Hofgerichts Canzlei Assistent in Bromberg – dort werden 1788 und 1790 seine Kinder geboren – Tochter Amalia Friderica Susanna Laudien und Sohn Gustav Adolph Laudien.
Zur Familie: Ludwig Leopold Laudien wird im November 1754 in Königsberg geboren – sein Vater Gottlieb ist Kaufmann – seine Mutter Sophia Eleonora Seel ist die Tochter des Königlichen Geheimsekretärs Ernst Friedrich Seel, der 1701 in Klein Dexen als Sohn des dortigen Pfarrers Johann Eberhardt Seel geboren wurde.