Wie gut, dass ich selbst erst im 20. Jahrhundert Lehrerin wurde. Auch das war zwar nicht immer einfach, aber um ‚ein Stübchen bey der Schule‚ musste ich niemanden bitten!
Ein solches Stübchen ist der dringliche Wunsch des in der Stadt Preußisch Eylau (heute Bagrationowsk) lebenden Rektors Christian Baurath, der sich im Jahre 1709 – zunächst beim Magistrat der Stadt – über seine Wohn- und Arbeitssituation beklagt.
Die Bürokratie greift und mehrere Jahre lang wird nur hin und her geschrieben:
April 1709: Die Geheimen Staatsräte von Rauschke, von Kreytzen und von Canitz an den König: der Preußisch Eylauer Rektor Christian Baurath habe sich darüber beschwert, dass er im Eylauer Schulgebäude einen ‚gar zu engen und kleinen Raum habe‘ – er müsse mit einer ‚zureichenden Wohnung versorget werden, ‚umb die Studia ungehindert excoliren (= vervollkommnen) und seiner Function in Unterrichtung der Jugend desto beßer Genüge leisten zu können‘ – die frühere Schule sei weitaus größer gewesen und es müsse noch wenigstens ein Stübchen ‚im ietzt lauffenden Jahr‚ angebaut werden! Die Kosten müsse der Magistrat übernehmen.
Dem Gesuch des Rektors wird statt gegeben – der König genehmigt den Anbau, aber die Schreiberei geht weiter!
September 1709: der Bürgermeister der Stadt Preußisch Eylau an den König: zwar habe der Rektor der Schule um ‚Anbauung eines kleinen Gelaßes gebehten‚ und er habe ja auch die Erlaubnis erhalten, ‚weilen aber die Armuth bey dieser Stadt dergestaldt notorisch, daß die Bürger eine große Unvermögenheit vorschützen‘ möchte er der ‚armen Bevölkerung‚ die Kosten nicht zumuten – sein Vorschlag: der Bau solle von der Kirche bezahlt werden!
4, Juli 1716: Amtshauptmann Heinrich Albrecht von Kalnein ordnet an, die Einwände seien unerheblich und ’sothaner Bau (müsse) ohne Verzug vorgenommen werden‚- sonst drohe eine ‚Fischkalische Straffe‘
17. Juli 1716: ein Schreiben des Eylauer Magistrats an den König: der Rektor wolle ‚ein Stübchen zu seinem Plaisir‘ – er solle sich mit seiner Wohnsituation zufrieden geben und die Bürgerschaft mit solch unnötigen Unkosten nicht beschweren – auch die Bürger könnten ‚ihre eigenen Wohn Häuser selbst nicht beßern und im rechtem Stande halten‘ – unterschrieben vom Pr. Eylauer Bürgermeister Salomon Müller und dem Ratsverwandten Jacob Ritterhausen ‚im Nahmen der gantzen Gemeine‘
Christian Baurath gibt jedoch nicht auf. Er wendet sich 1716 erneut an den König und berichtet, dass man ihm trotz Bewilligung und ‚hoher Königlicher Verordnung‚ noch immer kein Stübchen angebaut habe, da der Pr. Eylauer Magistrat dies verhindere.
Das klingt dann so:
‚Welcher gestaldt Ew. Königl. Majestät auf mein allerunterthänigstes Vorstellen und Bitten, daß mir von hiesiger Stadt ein Stübchen noch angebauet werden möchte, bereits 1709 allergnädigst verordnet, solches wird die Beylag A mit mehreres zeugen. Nun habe mich zwar bey hiesigem Ambte deshalb gebührend angegeben, auch das vorerwehnte hohe Königl(iche) Verordnung zur Execution gebracht werden solte, alle mahl gute Versicherung erhalten.
Weilen aber unterschiedene Verhinderungen, bald durch Verenderung eines Actuary beym Ambte, bald des Stadt-Magistratus, denn gar eines Haubtmanns alhir vorgefallen; so bin dadurch in meinem Gesuch jeder Zeit gehindert worden, daß ich bißhero nicht zum Stande kommen können. Da ich nunmehro unter dem Gouvernement unseres itzigen Ambts-Haubtmanns die Sache von neuem gesuchet, auch wie die Ambtsschreiber Sub B. et C. es ausweisen, vom Ambte gutte Verabscheidungen erhalten; So suchet nun der Magistrat auf allerhand Art mir schwer zu fallen, und bey der ohnedem beschwerlichen Schul-Arbeiten mein Leben noch sauer zu machen.
Wann aber Allergnädigster König und Herr, wie ich solches vorhin schon in aller Unterthänigkeit vorgestellet, in dem einen Stübchen, welches mehr einem Gange, alß Stübchen ähnlich ist, ich mit den Meinigen mich unmöglich behelffen, noch ich mir ein Studia prosequiren (prosequieren=einklagen; gerichtlich verfolgen) kan, Ew. Königl. Majestät auch sothane höchstnöthige Anbauung eines Stübchens gemäs vorher erwehnter Hohen Verordnung Sub. A bereits allergnädigst verstattet; alß(o) flehe ich den Thron Ew. Königl(ichen) Majestät hirdurch nochmahlen allerunthertänigst an, mich wieder E. hiesigen Magistrats oder vielmehr nur einiger zu contradiciren (=widersprechen) gewohnter unruhiger Bürger ungegründetes Einwenden bey der einmahl ergangenen Hohen Königl(ichen) Verordnung, auch denen Ambtsschreiben mächtigst zu schützen, und den Magistrat zur schuldigen Parition (=Befolgung) Ew. Königl(ichen) Majestät ergangenen Hohen Verordnung nachdrücklich anzuhalten.
Getröste mich allergnädigster Erhörung und ersterbe Ew- Königl(iche) Majestät
allerunterthänigster Knecht Christian Baurath
Ob Christian Baurath sein Stübchen jemals erhalten hat, erfährt man leider nicht … Die Akte des Königsberger Etatsministerium mit dem gesamten Schriftverkehr ist als Digitalisat des Staatsarchivs Olsztyn hier einzusehen!