Zurück aus Natangen …

Es war meine dritte Fahrt in die Heimat meiner ostpreußischen Vorfahren – diesmal war ich nicht mit meiner Freundin unterwegs, sondern mit meinem Sohn, dem ich gern die wunderschöne Gegend um Landsberg (Górowo Iławeckie) zeigen wollte, in der viele unserer Ahnen etwa 350 Jahre lang lebten. Für mich war es ein besonderes Abenteuer, denn ich übernachtete erstmals in einem Camper!

Auf der Hinfahrt – irgendwo in Hinterpommern

Begleitet wurden wir mehrere Tage lang von meinem Genealogen-Freund Maarten, der die lange Autofahrt aus Krakau auf sich genommen hatte, um uns zu treffen. Wir kennen uns schon lange, haben uns bereits in Oldenburg und Krakau getroffen und gemeinsam den Soldatenfriedhof in Galizien besucht, auf dem mein Großvater begraben liegt. Nun konnten wir zusammen Natangen genießen!

Dank Maarten kann ich inzwischen auch den polnischen Namen der Geburtsstadt meines Opas – Górowo Iławeckie – einigermaßen richtig aussprechen. Wir haben fleißig geübt!

Ausgangspunkt für unsere Ausflüge war – vom Namen her sehr passend – ‚Terra Natangia‚ in Żywkowo, wo wir von unserer Gastgeberin Alicja sehr verwöhnt wurden und uns ausgesprochen wohl fühlten. Die Störche begrüßten uns jeden Morgen mit ihrem Geklapper und Alicja brachte mir schon vor dem eigentlichen – immer sehr leckeren – Frühstück einen starken Kaffee, ohne den ich nicht richtig wach geworden wäre. Eigentlich hätten wir mehr Zeit auf dem Gelände verbringen müssen, denn Terra Natangia ist ein kleines Paradies! Hier sieht man noch ein wenig mehr.

Żywkowo hieß früher Schewecken – der kleine Ort ist von Górowo Iławeckie aus gut zu erreichen. Man fährt an der Abbiegung nach Woryny vorbei, durch Gallehnen (Gałajny) am Gut Grünhöfchen (Gradzik) vorüber- das immer noch so aussieht wie vor 20 Jahren – und landet schließlich auf einem etwas rumpeligen Weg im Storchendorf Żywkowo.

‚Fährt man an der letzten Abzweigung geradeaus, kommt man zur russischen Enklave Kaliningrad. Wäre die EU eine Scheibe, hier wäre sie zu Ende. Links dagegen geht es in das letzte Dorf Polens, Schewecken/Żywkowo. Die kleine Siedlung mit den Backsteinhäusern und hölzernen Gehöften ist typisch für Masuren, den wald- und seenreichen Landstrich im ehemaligen Ostpreußen. Die meisten Dorfbewohner sind aber eher ungewöhnlich: Auf zwei Beinen, aber sehr federreich: Störche‘. (Quelle: Deutsches Kulturforum östliches Europa)

ŻywkowoSchewecken

Die erste Nachricht über Schewecken stammt aus dem Jahre 1617, als Wolf von Kreytzen auf Gr. Peisten „im Schewecken“ ein Vorwerk von 12 Hufen anlegen wollte. Ihm wurde jedoch das Dorf Schönwiese verliehen, das näher zu seinem Hauptgut lag. Um 1650 waren die 11 Hufen von „Schweyken“ mit 3 Bauern besetzt: Daniel KampHans Schincke und Hans Schmidt, der Schulze. Außerdem lebte noch der Instmann Gregor Kroll im Ort. 1785 hat das königliche Dorf 6 Feuerstellen und gehört zur Kirche Pr. Eylau1820 sind es ebenfalls 6 Feuerstellen und 44 Einwohner. … 1846 sind 8 Wohngebäude und 53 Einwohner im Dorf – 1885 gibt es 13 Haushalte mit 73 Einwohnern in 8 Häusern. … Etwa am 10. Februar 1945 wurde Schewecken von sowjetischen Truppen besetzt. Es wurde kaum etwas im Dorf zerstört. (Quelle: Horst Schulz, Die Städte u. Gemeinden des Kreises Pr. Eylau)

Auch bei dieser Reise bin ich wieder total begeistert von der natangischen Landschaft – von den sanften Hügeln, den dichten Wäldern und weiten Feldern, den Alleen, kleinen und großen Seen und von dem ostpreußischen Himmel, der als polnischer Himmel ebenso beeindruckt!

Die Straßen sind sehr viel besser als vor 12 Jahren – auf die Besichtigung einiger kleiner Vorfahren-Orte verzichteten wir jedoch, da sie nur auf unbefestigten Sandwegen erreichbar gewesen wären.

Ich war gespannt darauf, ob sich innerhalb der Stadt Landsberg viel verändert hat seit ich im Sommer 2011 zuletzt dort war.

Das kleine Café am Marktplatz, in dem meine Freundin und ich auch mit Frau Heidenreich – der damaligen Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft Natangen – im Sommer 2011 gesessen hatten, ist leider nicht mehr vorhanden – aber viele schöne Blumen rund um das Rathaus und am Töpferteich neue Wege, Bänke und Lampen.

Einen Bezug unserer Familie gibt es zu einigen Häusern in der ehemaligen Burgstraße – heute Warminska. Im Haus Nr. 144 wohnten von etwa 1890 bis um 1906 der Kaufmann Julius Schnell und seine Ehefrau Auguste Clara Ankermann mit ihrer Familie.

Im Erdgeschoss des Hauses befand sich das Geschäft, in dem Julius Schnell Kolonialwaren sowie Eisen- und Stahlwaren verkaufte. Hier werden viele unserer Vorfahren ein- und aus gegangen sein! Das Haus existiert noch.

Das gelbe Haus auf dem linken unteren Bild wurde mittlerweile abgerissen – dort befindet sich nun ein Parkplatz und so kann man durch die entstandene Lücke vom Marktplatz aus in die Ferne blicken.

Obwohl es eigentlich geschlossen war, ermöglichte uns Frau Lewandowska – die jetzige Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft Natangen – den Besuch des Landsberger Museums, das ich nie zuvor besucht hatte. Die Räume sind voll mit gesammelten Fundstücken aus der Zeit vor 1945: Namensschilder Porzellan Schmuck Fotos u.v.a. Ich fragte mich, in welchen Haushalten sich wohl all diese Dinge befunden haben mögen … Vielleicht hat auch jemand aus meiner Verwandtschaft aus einer der Tassen getrunken …?

Welche Familien mögen diese Sprüche täglich gesehen und evtl. verinnerlicht haben…? (So wie ich selbst den Spruch, der mich durch meine Kindheit begleitete: ‚Und wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her‘!). Wer mag ‚Die Ahnen‚ von Gustav Freytag wohl in den Händen gehalten und gelesen haben …?

Am Schlossteich von Wildenhoff versuchten wir uns vorzustellen, wie es ausgesehen haben mag als das Schlossgebäude dort noch stand.

Natürlich freute ich mich besonders darauf, Worienen (Woryny) wiederzusehen – den Ort, mit dessen Geschichte ich mich für die Zusammenstellung der Chronik so lange beschäftigt habe. Dass sich der Zustand des Dorfes sehr gewandelt hat, wusste ich vor unserem Besuch. Den Ort wiederzusehen, hat mich sehr berührt.

Am ehemaligen Parkgelände steht nur noch ein einzelnes Haus, der frühere Woriener Krug. Das im unteren Foto angekreuzte Gebäude – einstmals Wohnhaus von Familie Ebner – war bereits bei meinem 1. Besuch vor fast 20 Jahren sehr marode und zerfallen; nun existiert es nicht mehr.

Das früherer Administratorenhaus wurde aufwändig renoviert und ist nun ein Seniorenheim. Endlich konnte ich mit eigenen Augen die Inschrift aus der Zeit der Familie von Domhardt bewundern, die man bei der Freilegung des Sockels entdeckt hatte. (Hier kann man Näheres dazu nachlesen) … Und ich stellte mir vor, dass auch die Kutsche neben dem Gebäude noch aus der Zeit der Familie – übrig geblieben sei, aber das wird wohl nicht so sein!

Der Text aus den Woriener Gutsakten (links ein Ausschnitt aus meinem Buch) ist nun auch in polnischer und englischer Sprache auf einem Schild vor dem Gebäude nachzulesen.

Eine große Freude war der Besuch bei Herrn Joks – dem letzten in Worienen geborenen und dort verbliebenen Bewohner – und seiner Ehefrau. Wir verbrachten eine ganze Zeit gemeinsam in ihrem Garten – Frau Joks bewirtete uns mit leckeren gebackenen Apfelpfannküchlein und Herr Joks erzählte von seiner Kindheit in Worienen

Auf dem Kohnertsberg – von den heutigen Bewohnern der Region ‚Napoleonsberg‚ genannt – erhielt ich einen Eindruck von dem Ausblick, den mein Ururgroßvater Carl Westphal von seiner dort oben sich befundenen Holländermühle auf die Stadt Landsberg gehabt haben muss … Welch ein toller Standort – die ganze Stadt lag ihm zu Füßen!

Weitere Ausflugsziele waren Bartenstein Schippenbeil Heilsberg Canditten Neukrug – das Gutshaus Nerfken – die Kirche von Petershagen Rastenburg – die Wolfsschanze – die Burgruine in Prassen und das kleine Kirchdorf Eichholz im ehemaligen Kreis Heiligenbeil.

Leider habe – wie schon im Sommer 2011 – wieder nicht daran gedacht, Heinrichswalde (Wezykowo) zu besuchen, obwohl wir täglich ganz in der Nähe waren. Nicht zu fassen!

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