Briefe eines ‚wackeren preußischen Offiziers‘

Das Gutshaus von Groß Lauth im Kreis Pr. Eylau

Augusta Friderica Clementine von der Goltz wird am 7. Juni 1784 als Tochter des Barons George Friedrich von Goltz und seiner Gemahlin Charlotte Loyse Antoinette von der Gröben auf dem Gut Groß Lauth im Kirchspiel Jesau geboren. Dies ist ihr Taufeintrag aus dem Kirchenbuch.


Dem Herrn George Friedrich v. Goltz, Besitzer von Groß Lauth
ist von sr. Gemahlin Charlotte Lose Antoinette v. Groeben den
7ten Junius 1784 eine tochter geboren, welche den 21ten Junius
im Hofe zu Groß Lauth getauft u. Auguste Friderica Clementine genannt
wird. Compatres: 1. H. Maior v. Rüsch. 2. Frau Maiorin v. Unruh.
3. Frau Maiorin v. Rüsch. 4. die Frau Rittmeisterin v. Domhardt

Schon als Teenager weiß Clementine, dass sie dereinst die Ehefrau des 15 Jahre älteren Leopold Otto Julius von Wedell werden wird. Im April 1800 wird den Freunden und Verwandten im ‚Königsberger Intelligenzblatt‚ unter ‚Verbittung des Glückwunsches‚ die Verlobung bekannt gegeben.

Ausschnitt aus dem Buch

Otto von Wedell ist zunächst mit seiner militärischen Laufbahn beschäftigt und über lange Zeit bleibt Clementine und Otto nur der briefliche Kontakt ….

Die Briefe ‚des wackeren preußischen Offiziers‘ Otto von Wedells an Clementine blieben erhalten – sie wurden in der Zeit von 1799 bis 1800 geschrieben und 1911 herausgegeben von Arthur Köhler, Leipzig, Röder u. Schunke. In einer Ausgabe der ‚Münchner Allgemeine(n) Zeitung‘ vom 10. Juni 1911 erscheint eine Rezension von Dr. Karl Fuchs über diese Briefe, die – laut Dr. Fuchs – reiche Einblicke in das gesellschaftliche und öffentliche Leben der damaligen Zeit bieten.

Leopold Otto Julius von Wedell wurde am 20. Juli 1769 zu Sillingsdorf in Pommern als Sohn des Erb- Lehns- und Gerichtsherrn daselbst Kaspar Otto v. W. und dessen zweiter Gattin Anna Libica Juliana geboren. Seine militärische Laufbahn begann er im Jahre 1785 als Fähnrich im Regiment ‚Herzog von Braunschweig‘ Nr. 31; am 26. Januar 1791 wurde er zum Sekondeleutnant befördert. Seine Teilnahme am Rheinfeldzug von 1792 bis 1795 scheint ihm nicht Gelegenheit gegeben zu haben, sich bei einem kriegerischen Ereignisse sonderlich hervorzutun, da er deren in seinen Briefen nur obenhin Erwähnung tut.

Am 13. September 1797 wurde er zum Premierleutnant befördert und als solcher zum Infanterieregiment von Courbière Nr. 58 versetzt, wodurch er nach dem fernen, damals noch sehr unwirtschaftlichen östlichen Preußen in die kleine Garnison Oletzko, ein Städtchen von ungefähr 1000 Einwohnern an der polnischen Grenze zwischen Allenstein und Insterburg, kam.‘ (Quelle: Dr. Karl Fuchs)

Das Leben in Oletzko gefällt Otto von Wedell nicht – er beklagt die Missstände des preußischen Heers, das schreckliche Exerzieren‘, die zahlreichen Deserteure und den Schlendrian seiner Kameraden. ‚Die vielen Bälle und Picknicks sind ihm ein Dorn im Auge; er lernt da skandalöse Ehen kennen, rohe Ausschweifungen, ergebene Ehemänner, leichtsinnige Frauen und kokette putzsüchtige Mädchen. Er selbst scheint jedoch von diesem Schlendrian auch infiziert – so bezahlt er offenbar Kameraden dafür, dass sie einige seiner Pflichten übernehmen.

Im Herbst des Jahres 1800 (Vermerk im Taufeintrag des 1. Kindes) – nicht wie bei Dr. Fuchs angegeben am 2. Juli 1801 – findet in Groß Lauth die Hochzeit von Otto von Wedell und Clementine von der Goltz statt. Clementine ist 16 Jahre alt.

Im September schreibt Otto an Clementine:

8.9.1800 ‚Ach Tiene, wie herzlich sehne ich mich nach Dich, und Deinen Umgang. Hier in Oletzko habe ich gar keinen Menschen, der mit mir harmoniert, und an einen freundschaftlichen Umgang ist gar nicht zu denken. Das Cops Officiers des Reinhartschen Regiments stimmt mit dem unserigen in nichts überein, und da überdem die Menschen hier gar keine Gelegenheit haben, sich in irgend einer Art, die Jagd ausgenommen, zu bilden, so macht ihr Umgang nicht das mindeste Vergnügen, im Gegentheil wird er sehr lästig. Du kennst mich, dass ich schlechterdings nicht im Stande bin, mich zu verstellen und daher sieht mich meine Unzufriedenheit gleich jeder an‘ …

Otto von Wedell teilt mit, dass er sich quälen müsse, er hofft auf eine stille traute Häuslichkeit und ‚träumt sich als zukünftiger braver Ehemann in die Behaglichkeit des warmen Nestes, das sie einmal gründen werden‘. Und so schreibt er an Clementine: ‚Wir wollen recht häuslich leben. Gewis bleib ich immer Dein Gesellschafter und werde mich recht bemühn, mit Dir zusammen die Zeit nützlich und angenehm zuzubringen. Dahin rechne ich besonders das Lesen guter Bücher. … Zur Abwechslung beschäftigt sich meine Tiene dann mit häuslicher Arbeit, schreibt auch dann und wann ein Briefchen, und so geht die Zeit hin, biß wir vieleicht eine beßere Garnison bekommen oder zur Abwechslung eine kleine Reise machen – wenn wir recht gut gewirtschaftet haben.‘

Mehrmals denkt von Wedell über seinen Abschied vom Militär nach. Er offenbart seiner Tine, dass er am liebsten ‚den Staub von den Füßen schütteln und Landwirt werdenwürde dass er dies jedoch nicht täte, weil es ihr Wunsch sei, dass er Offizier bliebe. ‚Seine gärende Unzufriedenheit und dabei angeborne Neigung zu philisophischer Beschauung der Welt treibt ihn in eine naiv-sentimentale Richtung seiner Liebe und ganzen Lebensanschauung …‘ (Dr. Karl Fuchs in der Rezension der Briefe)

In zarter Gewissensforschung‘ (Dr. Fuchs) gesteht er seiner Braut, die er ‚Herzenstine‘ oder ‚Mäusechen‘ nennt, wenn er zu viel getrunken oder geraucht hat. Er schreibt zum Beispiel: ‚Heute habe ich viel Taback geraucht; bey jedes Pfeifchen, dass ich mir stopfte, dacht ich an meine gute Tiene, daß Dus wohl nicht recht gern sähst, aber ich hab auch viel Bier dabey getrunken, und dann schadet es nicht, Schnaps trink ich jetzt gar nicht, meine Gute, und wenn ich vieleicht einmal einen trinke, würde ich Dirs gewiß gleich schreiben, denn ich kann jetzt nichts thun, was meine Tiene nicht gleich wissen darf‘.

Am 2. September 1801 kommt in Groß Lauth Tochter Clementine Lovise zur Welt.

Taufeintrag aus dem KB von Jesau

Nach 17jähriger Dienstzeit nimmt Otto 1807 seinen Abschied vom Militär – fortan wohnt die Familie auf dem Besitz der Wedells in Silligsdorf (Pommern), wo bis 1813 noch drei weitere Kinder zur Welt kommen.

1813 meldet sich Otto von Wedell freiwillig, um bei Wittstock und Groß-Beeren gegen die Franzosen zu kämpfen. Er wird bei der Schlacht von Dennewitz so schwer verletzt, dass er am 14. September 1813 in Berlin verstirbt.

Sillingsdorf – Besitz der Familie von Wedell

Clementine bleibt nach dem Tod ihres Ehemanns als Witwe in Sillingsdorf und verstirbt dort 1860 im Alter von 76 Jahren.

Ich habe nicht nur die Rezension gelesen, sondern auch das Buch, in dem Otto von Wedells Briefe an Clementine abgedruckt wurden. Es lohnt sich! Ab und zu findet man es noch antiquarisch.


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