Theophil Ernst Kriese gehört zu den zahlreichen Personen aus dem Gebiet des ehemaligen Kreises Preußisch Eylau, die sich zu unterschiedlichen Zeiten auf den Weg in andere Regionen machen – seine Spur führt ins Baltikum.
Theophil Ernst Kriese heißt eigentlich Gottlieb Ernst Kriese. Er kommt am 4. Februar des Jahres 1785 als dritter Sohn des Pfarrers und Inspektors Carl Friedrich Kriese und dessen Ehefrau Juliana Christina Peter im Pfarrhaus von Groß Peisten zur Welt und wird am 8 Februar in der dortigen Kirche auf den Namen Gottlieb Ernst getauft.
Zur Familie: Sein Vater stammt aus Elbing – seine Eltern heiraten 1781 in Groß Schwansfeld im Kreis Friedland. Der Heiratseintrag im Kirchenbuch lautet : Herr Carl Friedrich Kriese, Pfarrer in Peisten und Inspector, des Herrn Jacob Kriese, gewesenen Kaufmanns Herrn Sohn, mit seiner Jungfer Braut Juliana Christina(,) Martin Peter, Pächter der Hochadel. Beestenschen Gütern nach erhaltener Concession in dem Hofe Beesten ehelich eingesegnet.
Unter den Taufpaten des ersten Sohnes (1782) führt der Peistener Pfarrer Carl Friedrich Kriese auch einige Familienmitglieder auf: Johann Martin Peter, Generalpächter der Besthenschen Güter als Großvater – Herr Carl Christian Peter, Justizbürgermeister in Schippenbeil als Schwager – Herr George Gottlieb Kriese, Kaufmann in Elbing als Bruder. Pfarrer Kriese verstirbt 1803 in Groß Peisten – das Pfarramt in Peisten übernimmt der älteste Sohn Johann Carl Christian Kriese, der zuvor Pfarrer in Tauroggen war. Tochter Juliana Friedrica Kriese, die 1791 in Groß Peisten zur Welt kam, heiratet 1817 Carl Otto Weichert, einen Sohn von Theodor Friedrich Weichert (von 1808 bis 1816 Pfarrer in Borken, Kreis Pr. Eylau)
Die Informationen über das Leben und Wirken Theophil Ernst Krieses enthalten einige widersprüchliche Angaben – sicher ist wohl, dass er die Schulen in Bartenstein, Marienwerder und Königsberg besucht und im Alter von 15 Jahren ein Jura–Studium an der Albertina in Königsberg beginnt. Er schließt dieses Studium jedoch nicht ab, da er seine große Leidenschaft für die Erziehungswissenschaften entdeckt.
Von 1801-1805 nimmt Theophil Ernst Kriese eine Stelle als Hauslehrer in Litthauen an. Anschließend – von 1805 bis 1815 – unterricht er die Kinder der Familie von Lilienfeld, ab 1808 geschieht dies im Schloss Ermes in Lettland, das der Obristlieutenant Magnus Johann von Lilienfeld um diese Zeit käuflich erwarb.
In Ermes lernt Theophil Ernst Kriese vermutlich auch seine zukünftige Ehefrau kennen, denn 1813 findet in der dortigen Kirche seine Hochzeit mit Annette Margaretha Reinert statt.
Aus dem Kirchenbuch von Ermes: Heiratseintrag: 1813 d(en) 28ten Juni cop(uliert) der Herr Candidat Juris Ernst Theophil Kriese(,) Hauslehrer in Ermes bei den Kindern des Herren Obrist Lieutenant von Lilienfeldt, mit der Mademoiselle Annette Margarethe Reinert, in Ermes
Pernau – Fellin – Ermes – Walk – Dorpat … Stationen im Leben von Theophil Ernst Kriese
1816 gründet Theophil Ernst Kriese in Fellin – einer Hansestadt im Süden von Estland (heute Viljandi) – eine private Erziehungsanstalt für Mädchen. 1821 wird diese als Internatsschule nach Pernau verlegt, wo Theophil Ernst Kriese von 1823 bis 1826 auch Herausgeber des Pernauschen Wochenblatts ist.
Einige Inserate Krieses aus diesem Wochenblatt ...
1825 sucht Theophil Ernst Kriese Damen oder ‚Mesdemoiselles, welche den Unterricht in den weiblichen Handarbeiten … gegen nicht unbillige Bedingungen‘ für eine Zeit lang übernehmen – 1827 ruft er die Pernauer Eltern dazu auf, ihre Töchter in seine Schul- und Erziehungsanstalt zu geben.
1828 erfährt man, dass Theophil Ernst Kriese aufgrund seiner Schulden nicht mehr in der Lage ist, die Gehälter seiner Lehrerinnen auszuzahlen. Er versucht deshalb, sowohl sein ‚Fortepiano, welches von L. Lüdicke in St. Petersburg verfertigt, von starkem Ton und lange erprobtem Mechanism‘ ist als auch seine ‚Büchersammlung von 150 Bänden‘ und seine ‚Musikalien und auf Pappe gezogenen Zeichnungen‚ zu veräußern.
Offenbar wird Theophil Ernst Kriese von einigen Personen finanziell unterstützt – es scheint, als habe man verhindern können, dass er sich von seinem Klavier und seinen Büchern trennen musste, denn mit folgenden Worten bedankt sich Kriese im Pernauer Wochenblatt für die ‚viele edle Teilnahme an seinem Schicksal‘:
‚Später Dank, der vom Darbringer nicht verschuldet ist, erreiche all die guten Herzen, die einem armen Manne so großmüthig halfen, als er im Begriff war, sein ihm theuerstes Besitzthum dahin zu geben. Der über so viele edle Theilnahme an seinem Schicksal innig Gerührte, segnet im Namen seiner Kleinen mit tief geführter Erkenntlichkeit alle diejenigen, die seinem bedrängten Leben der Harmonie u. Tröstungen nicht versagen wollten, welche ihr eignes Leben in allen Beziehungen noch spät und lohnend erfreuen mögen!‘
Den Konkurs kann Theophil Ernst Kriese – der mittlerweile als Kreislehrer und Schulinspektor in Walk lebt – jedoch nicht mehr abwenden. Am Endes des Jahres 1828 wird dieser bekannt gegeben und aufgrund einer Verfügung des Pernauschen Landgerichts wird Krieses Besitz – ‚bestehend in Silber, Spigeln, Kleidungstücken, Meublen, fayencen Steinzeug, Bücher, Noten, Instrumente und dgl.‚ versteigert.
Um 1832 kehrt die Familie nach Fellin zurück.
Neben seiner Lehrtätigkeit ist Theophil Ernst Kriese auch schriftstellerisch tätig – er wird deshalb in einigen Lexika und historischen Abhandlungen erwähnt. 1824 veröffentlicht er die epische Erzählung ‚Euphilos und Maria oder der Seher Neu-Griechenlands‚. In einer Rezension, die kurz danach erscheint, ist zu lesen:
‚Der Verfasser, von Geburt ein Preuße, seit mehr als 20 Jahren Erzieher, hat eine Erziehungsanstalt für weibliche Kinder gegründet, versichert aber, dass diese Unternehmung ihn zu Grunde gerichtet habe, weil er stets mit Standesvorurtheilen und falschen Ansichten Solcher zu kämpfen hatte, welche alle weibliche Erziehung in äußeres Prunken und in eine sogenannte gute tournure oder auch in eine frömmelnde Erziehungsweise setzen und dass dieser Kampf ihm drückende Nahrungssorgen bereitet und zu diesem poetischen Versuche genöthigt habe‚ (Allgemeines Repertorium der neuesten in- und ausländischen Literatur für 1825; Leipzig 1825)
Quelle:Felliner Litterarische Gesellschaft: Jahresbericht der Felliner Litterarischen Gesellschaft. 1888 (1889)
Quelle: Holst, C.: Die Entwickelung der Stadt Fellin und ihrer Verfaßung; Dorpat 1864
Zur Familie von Theophil Ernst Kriese:
Von 1814 bis 1833 werden dem Ehepaar Kriese an verschiedenen Orten (in Ermes – Pernau – Walk und Fellin) mindestens 10 Kinder geboren und alle erhalten außergewöhnliche – teilweise der Mythologie entlehnte – Namen.
1814 Taufe in Ermes von Woldemar Julius Thorismund Kriese – er stirbt am 23. August 1817 in Fellin im Alter von 1 Jahr u. 7 Monaten. Als Todesursache gibt der Pfarrer an: er ‚fiel in kochend Wasser‘
1816 – Taufe in Ermes von Adalland Ottomar Allorico Kriese
Es folgen:
- Selmar Reinhold Kriese *20.5.1817 in Fellin – er stirbt 1856 in Enge, Ksp. Pernau am Schlagfluss. Er wird 39 Jahre alt und ist nicht verheiratet.
- Ida Selma Egeria Concordia Kriese *1819 in Fellin
- Ottomar Hercules Freimuth Kriese *1820 in Fellin
- Thusnelde Kriese *um 1829 vermutlich in Pernau – sie stirbt am 27 Feb 1856 in Helmet.
- Emma Elisa Selma Maria Kriese *1828 in Walk
- Siegmar Karl Theophil Hugo Kriese *1830 in Walk
- Henriette Helene Rosalinde Kriese *1832 in Fellin
- Adelmar Carl Wendelin Kriese *1833 in Fellin
Am 20. September 1834 verstirbt Krieses Ehefrau in Fellin an Auszehrung. Die arme Frau wird nur 39 Jahre alt und war fast ihr Leben lang schwanger. Die jüngsten Kinder sind zum Zeitpunkt ihres Todes 1 und 2 Jahre alt.
Frau Schulinspectorin Anna Margaretha geb. Reinert
Theophil Ernst Kriese arbeitet nach dem Tod seiner Ehefrau weiterhin in Fellin. Am 31, Januar 1845 wird er ‚wegen zerütteter Gesundheit mit einer Pension von 2/3 seiner Gage aus dem Dienste entlassen‘ . 3 1/2 Jahre später – im September 1848 – verstirbt Theophil (Gottlieb) Ernst Kriese in Dorpat an der Cholera. In seinem Sterbeeintrag wird als Geburtsort fälschlicherweise ‚Elbing‘ angegeben.
Über zwei Kriese-Kinder konnte ich noch Folgendes herausfinden: Henriette Helene Rosalinde Kriese – die jüngste Tochter – heiratet am 22. Juli 1859 in Dorpat in eine bekannte baltische Künstlerfamilie ein.I hr Ehemann wird der Landschafts- und Marinemaler Georg Alexander Schlater (1834-1879), ein Sohn des in Riga tätigen Zeichenlehrers, Malers und Lithografen Georg Friedrich Schlater, der aus Tilsit stammt.
Georg Friedrich Schlater – Der Promenadenplatz in Dorpat um 1830 (Wikipedia)
Und dann entdeckte ich im ‚Album Academicum‚ von Dorpat noch ‚Wisimar Ernst Allorico Kriese‚, der an der Universität von Dorpat Medizin studiert und Marinearzt in Kronstadt wird. Man kann wohl davon ausgehen, dass es sich dabei um den ältesten Sohn Theophil Ernst Krieses handelt, der 1816 in Ermes auf den Namen Adalland Ottomar Allorico Kriese getauft wurde.