Mädchenerziehung um 1850

Karl Ludwig Georg von Raumer (* 9. April 1783 in Wörlitz; † 2. Juni 1865 in Erlangen) war ein deutscher Geologe, Geograph und Pädagoge.

Als Pädagoge beschäftigt er sich u.a. auch mit der Erziehung von Mädchen. Sein Buch ‚Die Erziehung der Mädchen‘ erscheint im Jahre 1853 in Stuttgart.

Für Familienforscher, die nicht nur Namen und Daten sammeln, sondern sich auch mit den Lebensumständen ihrer Vorfahren befassen möchten, ist es vielleicht interessant, etwas über damals übliche Erziehungsmethoden zu erfahren. Viele unserer weiblichen Ahnen wurden möglicherweise von pädagogischen Ratschlägen wie denen Raumers geprägt!

Aber glücklicherweise gab es auch in der Mitte des 19. Jahrhunderts Eltern, die sich von derartigen Empfehlungen nicht beeinflussen ließen – und zu allen Zeiten gab es Mädchen und Frauen, die – allen Widrigkeiten zum Trotz – ihren eigenen Weg fanden …. Und: nicht alle Pädagogen des 19. Jahrhunderts stimmten mit Herrn von Raumer überein!

Für kleine Mädchen gibt es keine paßendere Unterhaltung als das Puppenspielen. Wenn sie in der ersten Kindheit ihr Vergnügen daran haben, die Puppe zu warten, zu wiegen, in den Schlaf zu singen und so alles nachzuahmen, was sie die Mutter mit dem kleinen Geschwister thun sehn, so finden sie später ihre Freude daran, der Puppe Kleider zu machen.

Man gewöhne die kleinen Mädchen schon früh, sich nicht schlafen zu legen, bevor sie nicht ihre Spielsachen an den gehörigen Ort geräumt; denn jedes, auch die letzte Kleinigkeit, muß im Hause seinen bestimmten Platz haben. Heranwachsenden Mädchen mache man es zur Pflicht, nicht nur die Sachen, mit denen sie sich beschäftigt, jedesmal wegzuräumrn, ehe sie eine neue Beschäftigung beginnen, sondern auch alles, was sie sonst am unrechten Orte sehn, an den rechten zu bringen.

Wilde, kanbenhafte Spiele sollte man den Mädchen, wie sich von selbst versteht, nie in Gemeinschaft mit Knaben, aber auch nicht unter sich gestatten.

Das Mädchen kann und darf sich in nichts Wißenschaftliches mit jener hartnäckigen, männlichen Ausdauer vertiefen, daß sie darüber alles andere vergäße. Nach Männer Weise in der Wißenschaft gründlich zu sein, darnach könnte nur ein ganz unweibliches Mädchen streben, und nur vergebens streben, da ihr Kraft und Talent des Mannes mangelt.

Wollte man die Mädchen auf gleiche Weise behandeln, so würde man sie für ihren Lebensberuf nicht gut berathen. Ich kannte Mädchen, denen vom Vater ein fester schulmäßiger Stundenplan vorgeschrieben war, es hätten sich die Mädchen in der bestimmten Rechen- und Schreibstunden kaum, oder doch nur unwillig eine Pause erlaubt, um dem kranken Bruder ein Glas Waßer zu holen; wer könnte das billigen?

Wer fühlt nicht, daß die Mädchen viel mehr auf die Seite der Künstler, als der Botaniker zu stellen sind? Das bezeugt schon ihre Neigung, Blument zu malen und zu sticken. Jedem schlichten Menschen erscheint es ganz unnatürlich, wenn Mädchenlehrer mit pedantischer, hölzerner Steifheit, welche sich die Miene gibt, als sei nur sie gründlich und wißenschaftlich, Lilien und Rosen bis in ihre kleinsten Theile zerrupfen und in den terminis technicis der Botaniker beschreiben laßen. Mädchen sollen die Blumen nicht mit den Augen zerlegender Botaniker, wohl gar mit mit Zuziehung einer Loupe betrachten, sondern mit Augen eines zartsinnigen Blumenmalers. Liebenswürdig ist ihre Liebe zu Blumen, die sie aufs sorgfältigste ziehen und ihre Entwicklung vom ersten Keime bis zur Reife des Samens verfolgen.

Was bezweckt aber der Zeichenunterricht bei Mädchen?

Zunächst eins, was vielleicht von Ueberbildeten sehr gering geachtet wird; das Mädchen soll fürs Haus zeichnen lernen. Sie muß im Stande sein, dem Schreiner durch einfache Umriße die Form der Stühle anzugeben, die sei bei ihm bestellt, dem Maurer eine Zeichnung von einem am Orte unbekannten, anderwärts aber erprobten Küchenherd zu machen, und was dergleichen mehr ist. Dann soll sie Vögel, Hunde, Reiter, Häuser u.s.w. den Kindern zeichnen.

Geschlechtsverhältnisse

Manche Mütter sind der, in meinen Augen grundverkehrten Ansicht, man müße Töchter in alle Verhältnisse der Familie, selbst in Beziehung der Geschlechter zueinander, hineinblicken laßen und sie gewissermaßen in Dinge einweihen, welche ihnen einmal bevorstehn, im Fall sie sich verheirathen sollten

Laße man die Kinder, so lange es immer geht, bei dem Glauben: ein Engel bringt der Mutter die kleinen Kinder; welche in manchen Gegenden übliche Sage viel beßer ist, als die an andern Orten gewöhnliche, vom Klapperstorch.

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