Die medizinische Versorgung von Kranken hat sich im Verlauf der vergangenen Jahrhunderte aufgrund neuer Erkenntnisse glücklicherweise immer weiter verbessert. Und auch bei der Rettung verunglückter Menschen geht man heutzutage teilweise anders vor als dies Herr ‚Hofcammerrath‘ Johann Heinrich Ludwig Bergius im Jahre 1779 seinen Lesern empfiehlt.
In Band 5 seines ‚Neuen Policey- und Cameral-Magazins‘, klärt Johann Heinrich Ludwig Bergius über die ‚Rettung leblos gewordener Menschen‚ auf und verrät, ‚durch welche Mittel plötzlich verunglückte, todt scheinende Personen in den meisten Fällen gerettet werden können‘.
Bergius schreibt: ‚Unwissende halten dergleichen Leute für todt, weil sie nicht mehr Athem holen, unempfindlich sind, wenn sie auch gerüttelt, mit Wasser oder stark riechenden Feuchtigkeiten angesprenget, gebrannt u.s.w. werden, und weil nicht der geringste Pulsschlag, weder in einer äußern Ader noch am Herzen bey ihnen gespüret wird, auch wohl bey dem ersten Aderlasse kein Blut kommt. Aber diese vermeinte Todeszeichen sind alle trüglich, und man hat bewährte Hülfsmittel, wodurch der scheinbar Todte, wenn auch die gedachten Anzeichen alle vorhanden wären, dennoch oft gerettet worden.
Einige dieser Hülfsmittel kann nur ein Arzt verordnen, oder ein Wundarzt appliciren, weil Vorsicht oder besondere Kunstgriffe erforderlich sind, wenn sie nicht schaden sollen. Andere sind von der Beschaffenheit, daß jeder Ungelehrter sie ganz leicht und ohne Bedenken anwenden kann. Von diesen letztern soll gegenwärtiger Unterricht handeln‘.
Zu den empfohlenen Maßnahmen der Ersten Hilfe bei ‚Ertrunkenen gehören u.a.:
- der Mensch muss behutsam ins Trockne gebracht werden. ‚Die alte Gewohnheit, im Wasser verunglückte Personen auf den Kopf zu stellen oder über Fässer zu rollen, womit gemeiniglich die Hülfleistung anfänget, ist von den besten Ärzten gefährlich, wenigstens nicht nothwendig gefunden worden‘.
- der Verunglückte soll entkleidet, weich gebettet und in warme Tücher gewickelt , ‚oder auch mit warmer Asche, warmen Salze oder gewärmten Sande bis an den Hals so dick wie immer möglich bestreuet‘ werden.
Es wird geraten, den Körper des Verunglückten mit warmen Tüchern oder einer Bürste zu reiben und durch Mund-zu-Mund-Beatmung Luft in seine Lunge zu bringen. ‚Will dieses niemand thun, so kann man einen Blasebalg oder sonst eine vorhandene Röhre brauchen. … Man kann auch Tobacksrauch in den Mund einblasen, um die Lunge zu reizen. Bey allen diesen Versuchen muß die Nase des Kranken fest zugehalten werden‘.
Nun folgt ein – zumindest für mich – ziemlich befremdlicher Ratschlag:
Zu gleicher Zeit muß man dem Kranken so viel Tobaksrauch als möglich durch den Mastdarm in den Unterleib treiben. Es sind zu diesen sogenannten Tobaksclystiren eigene bequeme Instrumente erfunden worden. Doch kann die Sache auch kürzer bewerkstelliget werden, auf zweyerley Art. Man bestreicht das Ende eines Pfeifenrohrs mit Oehl, und bringt es in den Mastdarm des Kranken; das andere Ende nimmt ein Mensch in den Mund, welcher zugleich aus einer andern Pfeife stark Toback raucht. Den aus dieser gezogenen Rauch nun bläset er in jenes Rohr, und treibet solchergestalt so viel Rauch, als er nur immer kann, in den Unterleib des Kranken. Oder man zündet zwey Pfeifen an, hält die Köpfe fest zusammen, bringet das mit Oehl bestrichene Ende des einen Stiels in den Mastdarm des Kranken, und durch das andere bläset ihm ein Mensch den an beyden Pfeifen gestoßenen Rauch ein. Knaster und Brasilientobak sind hierbey am wirksamsten; doch thut auch schlechterer im Nothfall gute Dienste.
Quelle: Johann Heinrich Ludwig Bergius, Gräfl(ich) Sayn- Hohen- und Wittgensteinischen Hofcammerraths Neues Policey- und Cameral-Magazin nach alphabetischer Ordnung; Fünfter Band; Leipzig 1779