Wenn man sich intensiv mit dem Leben seiner Vorfahren beschäftigt, stellt man vielleicht fest, dass man im Laufe der Zeit zu einigen seiner Ahnen ein besonderes Verhältnis aufbaut.
Bei mir geschieht dies immer dann, wenn es mir gelingt, ein wenig mehr heraus zu finden als nur ihre Namen und Daten, die ich den Kirchenbüchern entnehmen konnte. Darum habe ich mich im Verlauf der vergangenen 25 Jahre immer bemüht, zusätzliche Informationen zu meinen Ahnen zu finden: Fotos, Verträge oder andere Dokumente, Erwähnungen in der Literatur oder die Nennung ihrer Namen in Steuertabellen oder anderen Listen.
Ich will anhand meiner Ostpreußen-Vorfahren verdeutlichen, was ich meine ….
Die Ahnen erwachen zum Leben, wenn man sich nicht nur auf ihre Namen und Daten beschränkt!
Hier einige Beispiele:
Fotos meiner ostpreußischen Ahnen sind in meiner Familie leider kaum vorhanden – da gibt es nur ein einziges, das meine aus Ostpreußen ausgewanderten Urgroßelten, den Schneidermeister Leopold Gegner, seine Ehefrau Therese, geb. Westphal und ihre 3 jüngsten Kinder zeigt. Von meinem 1886 in Landsberg geborenen Großvater existieren 2 Bilder: eines, auf dem er mit meinem Vater auf dem Arm und einem seiner Brüder zu sehen ist und eines, das ihn als Soldaten zeigt. Diese Bilder hüte ich wie einen kostbaren Schatz!
Weitere Unterlagen gab es nicht – keinerlei Briefe, keinerlei Dokumente. Es gab auch niemanden, der mir etwas erzählte – keinerlei Überlieferungen. Mit dem Tod meines ostpreußischen Großvaters (mit nur 29 Jahren während des 1. Weltkriegs) scheint das Thema ‚Ostpreußen‚in der Familie erledigt gewesen zu sein, obwohl meine ostpreußische Urgroßmutter noch bis 1945 ganz in unserer Nähe lebte und ich selbst noch Geschwister meines verstorbenen Großvaters kennenlernte – ohne allerdings zu wissen, dass sie seine Schwestern waren …. sie waren einfach ‚Tanten‘ und ‚Onkel‘.
Ich musste mich also selbst auf die Suche begeben, wenn ich mehr erfahren wollte … Durch die Veröffentlichung meiner BLOG-Beiträge in diesem Genealogie-Tagebuch entstanden zahlreiche Kontakte zu entfernten Verwandten und im Laufe der Jahre wurden mir auch Fotos zugesandt – zum Beispiel das des jüngsten Bruders meiner Ur-Ur-Großmutter Friederike Matern aus Hoofe, das von Selma Ankermann, der 1877 in der Mühle von Konnegen geborenen Tochter des Mühlenbesitzers Gustav Heinrich Ankermann (Bruder meiner Ur-Ur-Großmutter Johanna Ankermann) oder das Foto des Kaufmanns Julius Schnell, der mit Selmas Schwester verheiratet war.
Ich begann zu sammeln … in der Heimat meiner Vorfahren sammelte ich Fotos von Gebäuden oder Orten, die einen engen Bezug zu ihnen haben – hier z.B. der Weg zur ehemaligen Mühle von Groß Peisten, den meine Vorfahren als Betreiber bzw. Besitzer dieser Mühle sicherlich oft zurück gelegt haben und den auch ich im Sommer 2004 noch begehen konnte. Auch das Innere des Gebäudes konnte ich noch besichtigen – mittlerweile wurde es abgerissen.
Ich ordne die historischen Gebäude ihrem Standort zu, um mir vorstellen zu können, wie meine Ahnen den Ort ehemals wohl erlebten ….
Die persönliche Unterschrift meines Urgroßvaters Leopold Gegner entdeckte ich am Tag meines 60. Geburtstags im Staatsarchiv von Olsztyn.
Die Bewohner des Dorfes Regellen bei Goldap (früher auch Regelken) leisten 1798 ihren Erbhuldigungseid in Angerburg. Auch meine Vorfahre Christoph Borm muss dort erscheinen. Er macht 3 Kreuze, ist demnach des Schreibens nicht mächtig.
Ein Ausschnitt aus den Grundakten der Begüterung Groß Peisten, in denen unter Nr. 9 und Nr. 12 meine Vorfahren Johann Borm (Sohn des zuvor genannten Christoph Borm) und Carl Mat(t)ern als Erbpachtsnehmer im Dorf Hoofe im Kreis Preußisch Eylau aufgeführt werden.
Mein Vorfahre Johann Wilhelm Hellwichs, der während des 18. Jahrhunderts u.a. die Landsberger Ordensmühle sowie die Mühle in Groß Steegen betrieb, hinterließ einen Vertrag, der 1749 am Hofe von Wildenhoff zwischen dem Grafen von Schwerin und ihm geschlossen wurde und außerdem einige Beschwerde-Briefe, da er in Landsberg aufgrund fehlenden Wassers nicht ordnungsgemäß mahlen konnte..
Das Inserat meines Ur-Ur-Urgroßvaters Johann Carl Westphals in einem Pr. Eylauer Kreisblatt des Jahres 1874, in dem er bekannt gibt, dass er seine Mühle auf dem Landberger Kohnertsberg verkaufen will.
Den Standort der Mühle erkundeten wir im vergangenen Sommer!
Christian Schmidt – ein Sohn des Woriener Kunstgärtners Christian Schmidt und Anna Gegner – Schwester meines Vorfahren Christoph Gegner – wird Arrendator des Gutes Klein Steegen. Im Kirchenbuch von Canditten, Pr. Eylau entdeckte ich eine Notiz, in der er erwähnt wird, weil er im Jahre 1762 das Positiv der Canditter Kirche aus Danzig holen ließ: ‚D. VIII. p. Trin 1762 ist das Positiv zum ersten mahl in der Kirche von H. Behm, Organisten in Bartenstein, der selbiges gestimmt, gespielet worden. Herr Burggraff Cöster hat das daßelbe aus eigenen Mitteln der Kirche gekaufet und H. Administrator Schmidt aus Kl. Steegen hat es selbst in Danzig bedungen und hierher bringen laßen. Kostet an sich 100 Rthlr und 20 Rthlr an Unkosten‘.
Ein Positiv (von lateinisch ponere „setzen, stellen, legen“) oder Orgelpositiv ist eine kleine, transportierbare Orgel mit wenigen Registern, gewöhnlich einmanualig und ohne, oder mit lediglich angehängtem Pedal. Ein Teilwerk einer größeren Orgel wird häufig ebenso Positiv genannt. (Wikipedia)
Als Verwalter des Guts Klein Steegen wird Christian Schmidt außerdem in dem Büchlein ‚Die Arrendatorin‘ von Frieda Busch genannt und es wird bemerkt, dass er ‚ehrlich und anständig gewirtschaftet‘ habe.
Manchmal sind es Kleinigkeiten, die mich begeistern und den Ahnen Leben einhauchen – zum Beispiel, wenn in einem 1773 erschienenen Bericht erwähnt wird, dass der Bruder meines Vorfahren Michael Steinort – der Schulze Lorenz Steinort in Schönfließ bei Königsberg – das Verhalten der Störche beobachtete. Darüber habe ich hier bereits geschrieben: … …-
Die ‚Sammelei‘ macht Spaß – ich werde sie fortsetzen!
Liebe Irmi,
Ich kreise ja auch im Kreis Preußisch Eylau und bin gespannt,
ob unsere Vorfahren sich irgendwann mal begegnet sind.
Vielen Dank für Ihre schönen Berichte. Ich lese sie immer wieder gern.
Ein frohes Weihnachtsfest und alles Gute im Jahr 2024 wünsche ich Ihnen und Ihren Ieben.
Herzliche Grüße
Petra H- K
Im besten Sinne handgemachte, immer interessante Beiträge. Ich lese sie alle und das schon seit Jahren (familiäre Bindungen in die ehemaligen Ostgebiete habe ich nicht). Beste Weihnachtsgrüße und alles Gute im Neuen Jahr!