Im Jahre 1798 erscheint in Hannover das von Johann Gottlieb Visbeck, dem damaligen Pastor in Wersabe, geschriebene Buch ‚Niederweser und Osterstade‚. Auch dieses Buch wurde mittlerweile digitalisiert.
Visbeck listet u.a. die Anzahl der Heiraten, Geburten und Sterbefälle der Jahre 1794 bis 1796 in den Osterstader Kirchspielen auf:
Visbeck hat ein wenig gerechnet und schreibt weiter: ‚Osterstade ist ohnstreitig nicht so gut bevölkert als man nach der Anzahl der Menschen erwarten sollte. Dies rühret von der starken Anzahl der Seefahrer her, wodurch manche Ehe später geschlossen, manche andere auf mehrere Jahre aufgehoben wird. Indes erhellet doch aus den Berechnungen über das Kirchspiel Wersabe, daß in 100 Jahren 347 Personen gewonnen wurden; daß in 126 Jahren die Verdopplung der Gemeine erfolge; daß auf jede Ehe 3 5/8 lebendige Kinder kommen; daß die Vermehrung stärker im vorigen als im jetzigen Jahrhunderte gewesen; daß die Hälfte der Gebornen erst mit dem dreißigsten Lebensjahre durch den Tod weggeräumet werde, welches doch in manchen Ländern schon im zwanzigsten geschieht; daß jeder 32ste Mensch ein Alter über 80 Jahre erreiche und der 180ste es über 90 Jahre bringe; daß von 100 Gebornen nur 51 1/2 heirathen, von 100 Heirathenden 92 1/3 Kinder zeugen; daß jede 13te Ehe unfruchtbar u.s.w. Diese Verhältnisse werden sich auch ohne Zweifel in den übrigen Gemeinen von Osterstade finden.‘
Mittlerweile leben in Osterstade also nicht mehr nur ‚Kohlbauern‘, sondern auch zahlreiche Seefahrer. Visbeck schreibt: ‚Ohngefähr kann man auf jedes Haus 1/4 Matrosen rechnen, so sehr hat diese Lebensart sich beliebt und nothwendig gemacht. So lange wir selber keine Schiffahrth und Handlung haben, müssen wir’s dem Amsterdammer Kaufmann gönnen, daß er sich von unsern Matrosen Ducaten verdienen läßt, sie mit Gulden bezahlet, und ihm sogar noch Dank dazu wissen. Wer indes hierauf Entwurf zur Anlegung der Schiffahrth gründen wolle, dem könnte es an guten Seeleuten, die in allen europäischen Häfen, in Ost- und West-Indien und nach dem Nordpole hin bekannt sind, gar nicht fehlen. Etwas ist indes doch hierin geschehen, da seit einigen Jahren die beyden schönen Schiffe, Königin Charlotte, und Georg III. auf dem Wallfischfang von hier abgehen, und im Osterstader Hafen im Winter paradiren.‘
‚Dies Seeleben hat indes seine guten und bösen Folgen; denn es bringt ansehnliche Summen holländischer Fl. ins Land, die indes, weil sie bey öffentlichen Cassen nicht brauchbar, den Weg nach Holland bald wieder finden‘.
Diese ‚bösen Folgen‘ der Seefahrt bzw. des Lebens auf See, sind inzwischen auch in dem kleinen Ort Wersabe zu spüren – die Lebensart der Osterstader hat sich gewandelt – die ‚Unsitte‘ des Kaffeetrinkens hat Einzug gehalten:
‚Böse Folgen; denn (Verlust der Mannschaft, die umkommen oder sich in Holland setzen, ungerechnet) dadurch ist der starke Gebrauch des Caffee’s unter dieser Classe eingeführet. Der Matrose, freylich, man sage, was man wolle, kann des Caffee’s auf der See bey seiner harten, oftmals verdorbenen Schiffskost, und zumal nach dem Nordpole zu, gar nicht entbehren, wenn er seine Gesundheit erhalten will. Aber daß dies auf dem Lande fortgesetzt wird; daß Frau und Kinder Antheil daran nehmen; daß manche täglich mehremale dies Getränk haben müssen; daß man sich den Magen damit erschlaffet, gerade dies taugt gar nichts. Der alte Osterstader aß alle Morgen sein Warmbier und Bohnen, war gesund und stark dabey. Manche unserer Weichlinge können des Morgens, wie es heißt, nichts Essen, sondern müssen eine Tasse Caffee haben. Aber wo bleiben auch die Kräfte bey solcher Lebensart? Der Unterschied zwischen einem alten und jetzigem Osterstader, ist merklich genug.‘