Ich bleibe noch ein wenig in Osterstade, wo im 17. bis 19. Jahrhundert viele meiner Vorfahren lebten. Sie waren Baumänner, Köthner oder Handwerker. Mit ihnen wohnen dort die Familien der Osterstader Junker, zu denen u.a. die Familien Kobbe – de Reese – Viegen oder von Campen gehören, die sich in ihrer Lebensweise jedoch wenig von den übrigen freien Bauern unterscheiden.

Handzeichnung, kopiert durch C.G.Gasschütz (1750-1780)
Die Osterstader Junker heiraten im Verlaufe der Zeit in die Familien der dortigen Hausleute und betreiben wie diese Ackerbau und Viehzucht auf ihren Ländereien.
‚In Ihren Häusern mit Stroh gedeckt, größtentheils alt und sehr verfallen, durch Nichts von Wohnungen der Hausleute verschieden, herrscht die größte Einfachheit. … Eine Ausnahme davon macht allein der Ort Sandstedt, wo mehrere neue, vortheilhaft in die Augen fallende Gebäude, zum Theil mit Ziegeln gedeckt, gefunden werden. …
Der Junker lebt hier durch Nichts in seiner Lebensweise und Bildung von den anderen freien Grundbesitzern unterschieden.‘ (Quelle: Dr. P. L-C. von Kobbe, Nachrichten von Osterstade, und inbesondere von den dortigen Junkernhöfen, in: Vaterländisches Archiv; Hannover 1821)
Dennoch genießen die Junker-Familien noch lange gewisse Vorrechte.
‚Sie sind frei von allen Bauerdiensten und Lasten, vom Liefern der Vogelköpfe, von Verknüppelung der Hunde, von Deichwachten, von Gerichtsfolge, .. vom Erscheinen zur Mannzahl .. . Ihre Gründe zahlen keine Contribution, sondern zur Roßdienstrolle. Sie sind schuldig, bei einem feindlichen Angriff zur Vertheidigung des Landes aufzusitzen‘ ((Quelle: Dr. P. L-C. von Kobbe, Nachrichten von Osterstade, und inbesondere von den dortigen Junkernhöfen, in: Vaterländisches Archiv; Hannover 1821)
Über das Sammeln und Liefern von Vogelköpfen habe ich bereits vor mehreren Jahren geschrieben – damals allerdings über das Sammeln von Sperlingsköpfen im Amt Pr. Eylau in Ostpreußen. Die Hintergründe dieser Verordnung sind jedoch identisch.
‚Verknüppelung der Hunde‚ bedeutet: Hunde, die bei der Jagd zur ‚Aufscheuchung des Wilds‘ eingesezt werden, haben einen Knüppel von bestimmter Länge zu tragen – es sei denn, sie sind am Hinterfuß gelähmt.
Ein weiteres Privileg besteht darin, dass diese Familien bei der Besichtigung und Überprüfung ihres Feuergeräts nicht – wie alle anderen – verpflichtet sind, ihr Gerät auf die Gasse bringen. Stattdessen muss der von der jeweiligen Regierung gesandte Prüfer zu ihnen ins Haus kommen, um das Gerät zu kontrollieren.
So erklärt es sich auch, dass es Thomas Stolley – der damalige Landfiskal – es nicht leicht hat, als er im Sommer 1735 von Himmelpforten aus nach Osterstade geschickt wird, um dort das Vorhandensein und den Zustand der ‚Feuer-Gerätschafft‘ zu überprüfen
Anschließend erstattet Thomas Stolley Bericht über die Reaktionen der einzelnen Personen in jedem Dorf und benennt die Entschuldigungen, die sie für die Verweigerung des Vorzeigens ihrer Feuer-Gerätschaft vorbringen.
Das, was er schreibt, ist eigentlich gar nicht witzig – aber manchmal muss ich trotzdem laut lachen. Ich liebe diese Sprache!

Specification derer Juncker; auch übrigen Nahmen so darunter zu sortiren. Vernommen aus den Osterstadischen, die ihr Feuer Gerähtschafft bey deßen Besichtigung den 11ten ex 12ten ao 1736 auf den gewöhnlichen Brinck, jedes Dorff nicht vor Zeigen wollen, und was sie, ein jeder besonders, für Entschuldigung Sagen laßen, als:
Uthlede
Herr Obrist Lieutnant von Schwanewede hat durch den Landgeschwornen Gerd Mahlstede sagen laßen, daß ich(,) der Land Fiscal(,) mögte so wohl thun und ihn zu sprechen, das Feuer Geräht brächte er nicht, weil er ein gebohrner Edelmann währe.
Bruch
Mons(ieur) Johann Peter Leitsberg (= Leutschberger, Amtmann in Himmelpforten) von erschien bey der Kirchen und stellete vor (=für) seine Fr(au) Mama und im Nahmen seines Schwagers Hermann Würdenmann vor, dass sie nicht schuldig wehren, dass Feuer Geräht ad locum commune zu liefern, sondern wolten im Hause die Besichtigung gewärtigen, wie es einmahlen von solchen Adelichen Gütern geschehen wehre.
Bardewisch seine Frau, auf Teich-Grefen Lüder Viegen Hoff, läßt durch Johann Hinrich Müller seine Frau Catrine mir(,) den Land Fiscal(,) grüßen und sagen, wann ich das Feuer Geräht in ihrem Hause besehn wolte, wehre es in meinen Diensten, oder wann es Hinrich Bährje hohlen wolte, währe es gut, so aber dieser nicht thun wolte. (= Abraham Bardewisch, vor 1735 Kaufmann zu Bremen – Pächter des Guts von Lüder Viegen – Hinrich ‚Bährje‘ – eigentlich ‚Behrje‘ ist mein Vorfahre. Ich finde es toll, dass er sich geweigert hat!!!))
Harm Knübbel, wenn es die andern Zeigten, so wolle er es auch Zeigen. Viegen und sein Hof währe ein Hoff gewesen, da hätte er sich auf beheyrathet, was andre ausstünden, das müsste er auch ausstehen (Damit wird der Erbgesessene Hermann Knübel gemeint sein, der mit Engel Maria Catherina Fiegen verheiratet ist).
Aschwarden
Claus Albert de Reßen Erben oder Wittwe läßt durch des unter Vogts seine Frau Alheit sagen, wann(,) ich der Landfiscal(,) wolte vor ihr Haus treten, wolten sie das Feuer Geräht heraus setzen, weil sie kein Mensch im Hause hätte.
Gerd de Reese Wittwe hat durch selbige sagen laßen, wenn ich(,) der Landfiscal(,) wolte vor Ihr Haus treten, wehre das Feuer Geräht zusammen da, sie hätte kein Mensch im Hause.
Hilmer Campen seine Frau hat sich beklaget, daß sie keinen Menschen im Hause hätte, weil ihnen der Haber miteinander Versauffen wolte und daher das Waßer ausgießen musten.
Harm Witzel ist Niemand zu Hause, sondern das Haus Verschloßen gewesen.
Wilcken von Campen hat zu die Alheit (gesagt) als die Ihr vorgesaget, das Feuer Geräth zu bringen, dass sie mir(,) den Landfiscal(,) grüßen und ich ihn zu Sprechen mögte, weil er mir was wolte, wie ich darauf Ihm zur Antwohrt sagen laßen wollen, daß ich keine Zeit hätte(,) Ihn zu besuchen, er mögte seine Feuer Gerähtschafft nur senden, ist er Zwar nicht zu Hause gewesen, mir darauf aufgewartet und als ich weg Reitten wollen, gesaget: Sie hätten das Feuer Geräth niemahlen auf den Brincke gebracht deswegen auch bey Königl. Regierung, da es von Ihnen gefordert wurde, suppliciret, aber noch keine resolution erhalten, dass wenigstens die 7 so nach den Land Tag gehen, davon befreyet werden mögten.
Wurtfleith (Wurtfleth)
Hinrich Lachmann wehre nicht zu Hauße gewesen, und deßen Frau zu dem unter Vogt gesaget, sie wolte das feuer Geräth nicht bringen, es mögte davon kommen was es wolle, weil sie es niemahlen gethan.
Johann Knübbel ist auch nicht zu Hause gewesen und deßen Frau gesaget, die andern hätten es ja auch nicht gebracht, so wolten sie es auch nicht thun, sie hätten nicht wieder auf dem Brinck gebauet, wie die andern, Ihres wehre ein Adlich freyer Hoff.
Der Einnehmer Geisler läßt duch den Unter Vogt gleichfalß sagen, dass er das Feuer Geräth niemahlen gebracht, wenn die Regierung befehl hätte, würde er es bringen.
Rechtebe
Von der Wisch seine Frau hätte zu Berend Stool seine Frau Catrina gesaget als dieselbe Hauß bey Hauß angesaget, dass das Feuer Geräht auf den Brinck zusammen gebracht werden solte, da nichts zu thun, und nicht nöthig dahin zu kommen.
Die Wittwe Viegen hätte den Langeschwornen Lühder Kobbe geantwortet, dass sie nicht schuldig wehre, das Feuer Geräht zu bringen, indem es ihre Vorfahren niemahlen gethan, sonsten könnte sie es auch thun(,) wenn es ihr zu käme.
Harm Hein seine Frau hat gesaget, dass sie das Ihrige von Puntt gekauffet, der es niemahlen hingebracht und sie auch nicht, sonsten es sie itzo auch thun könne.
H(err) Major Keller und Mons(ieur) Kobbe sind nicht zu Hause gewesen und also keine Antwohrt erfolget.
Wersabe
Dierck Kobbe Jun. und Hinrich Kobbe sind nicht zu Hause gewesen und die übrigen Jungkers alle, noch 8 an der Zahl, haben zu dem unter Vogt gesaget, sie kämen nicht bey die andern, wenn ich das Feuer Geräht besehn wolte, so wehre es in ihren Häußern zu rechte.
Offenwarden
Lühr Kobben frau hat gesaget, sie bedürften das feuer Geräht nicht zu haben.
Die übrigen Sieben daselbst haben zu des unter Vogts Tochter gesaget, ich solte zu Ihnen kommen, wenn ich das Feuer Geräht sehen wolte, sie brachten es nicht hier.
Sandstedt
Ehlert Jacob Witmer hat zu den Gerichts Diener Johan Seekenburg gesaget, dass er seine Frau sagen, dass die das feuer Geräht vor des Vogts Johan Sebben Hauße senden solte, so dieser auch bestellet, aber die Frau nicht senden wollen.
Der Einnehmer Starck hat gleichfals seine feuer Gerähtschafft nicht vorzeigen wollen.
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