Hexenprozess in Groß Lauth, Pr. Eylau – 1686

Ort und Begüterung Groß Lauth (Lauth wird auch Lawdt geschrieben) im Kirchspiel Jesau, Pr. Eylau, sind heute ein Teil von Newskoje in der russischen Oblast Kaliningrad. Über lange Zeit befindet sich Groß Lauth im Besitz der Familie von der Rippe.

Aus den Steuereinnahmen des Amtes Brandenburg von 1664

Im Jahr 1686 wird der Name Groß Lauth durch einen Prozess bekannt, in dem die Witwe Anna Bergau, deren Mutter bereits kurz zuvor in Mühlhausen verbrannt worden war, der Hexerei und Zauberei beschuldigt und angeklagt wird.

‚Unter der großen Anzahl der Hexenprozesse, von denen die Acten bereits bekannt gemacht sind, findet sich, soweit den Herausgebern bewusst ist, keiner, welcher in Preußen geführt wurde und nur wenige zeigen in einem solchen Grade wie der nachfolgende, bis zu welcher Macht über Vernunft und Menschlichkeit sich der Aberglaube erheben konnte. Möge der Blick, den uns auch diese aus den Original-Acten wörtlich und vollständig abgedruckten Verhandlungen in die Vorzeit gewähren zu einer gerechten Würdigung der Gegenwart beitragen und in der Überzeugung, dass es besser geworden ist, beitragen‘ heißt es im Vorwort zu diesem 1821 in Königsberg veröffentlichen Bericht in Band 4 der ‚Beiträge zur Kunde Preußens. (Seite 50 bis Seite 70)

Das Dorf Groß Lauth – links die alte Mühle (Bildarchiv Ostpreußen)

Ich gebe den Verlauf des Prozesses hier verkürzt wieder. Er dauert vom 22. Januar 1686 bis zum 27.3.1686 und es werden zahlreiche Zeugen vernommen:

Die Nennung ihrer Namen ist auch im Hinblick auf die Ahnenforschung interessant, da aus dieser Zeit keine Kirchenbücher des Kirchspiels Jesau mehr erhalten sind. Die noch vorhandenen Kirchenbücher beginnen erst im Jahr 1740.

Wilhelm Schulter, 40 Jahre alt, Hirt in Groß Lauth, berichtet, man habe ihm im Jahr zuvor Brot gestohlen, das der Angeklagten Anna Bergau gegeben worden sei. Nachdem diese von der Hofmutter bestraft worden wäre, hätten sich seine Augen, die zuvor nur ein wenig geschmerzt hätten, derart verschlechtert, dass er kaum noch etwas sehen konnte. Erst nachdem die ‚Herrschaft sie desfalls bedrauet und hart zugeredet‘, hätte sich seine Sehkraft wieder verbessert.

Else Horn, 40, Ehefrau des Gärtners Görge Horn gibt an, die Angeklagte sei – während sie von ihrem Mann bewacht wurde – zweimal geflohen. Unmittelbar nachdem sie ihr vorgeworfen habe, ihrem Mann soviel Mühe zu machen, seien ihre Kühe erkrankt. Sie hätten keine Milch mehr gegeben.

Barbara Klehn, 42, die Gattin des Hofmanns sagt aus, die in Mühlhausen kurz zuvor verbrannte Hexe namens Else habe ihr mehrmals im Gutshof und in Vierzighuben erzählt, dass die ‚Bergausche‘ schuld daran sei, dass es dem Herrn Lieutenant (dem Gutsherrn) so schlecht ginge – wenn man sie bestrafen würde, würde es ihm wieder besser gehen.

Barbara Pohl erzählt dasselbe …

Gottfried BruchhausenDiener im Hofe Groß Lauth – bestätigt und beschwört, dass die verbrannte Else von der Schuld der Inhaftierten gesprochen habe und auch davon, dass diese das Bad des Gutsherrn verdorben habe – dieser wäre sonst längst wieder gesund.

Auch Hans Zorn hat gehört, dass Else von der Schuld der Inhaftierten gesprochen habe – sie habe nicht ihre Mutter gemeint, sondern die Angeklagte Anna Bergau selbst. Diese habe den Herrn Lieutenant verhext.

Maria Zorn sagt dasselbe aus.

Catharina Steinhagen, die Ehefrau des Müllers Christoph Steinhagen weiß zu berichten, Anna Bergau sei am Weihnachtsabend vor 2 Jahren zu ihr gekommen und habe sie um Bier gebeten. Sie habe ihr keins gegeben und sofort sei ihr Hund sehr krank geworden – er habe Halsschmerzen bekommen, sich übergeben und ‚mit den Füßen nach dem Maul sich gerißen‘. Dieser Zustand habe acht Tage lang angehalten. Am Neujahrstag sei Anna Bergau wieder gekommen und habe um Pfefferkraut gebeten. Als sie ihr auch dies nicht gegeben habe, sei das Auge ihres Mannes ‚sehr schlimm geworden‘ – erst nachdem sie sich bei anderen darüber beklagt und ihren Verdacht geäußert habe, seien Mann und Hund wieder genesen.

Das spätere Gutshaus (Bildarchiv Ostpreußen)

Barbara Hübner, 40, die Ehefrau des Gärtenierers Christian Hübner sagt aus: vor einem Jahr sei Anna Bergaus Bruder aus Pillau entlaufen. Er habe den Gutsherrn darum gebeten, ihn loszukaufen – das habe dieser jedoch abgelehnt. Der Bruder habe sich bei Anna Bergau aufgehalten. Dies habe man der Gutsherrschaft berichtet, die ihn ‚in Eisen schließen‘ ließ. Er sei jedoch heimlich wieder zu seiner Schwester gegangen und von dort aus entflohen. Nachdem der Gutsherr Anna Bergau befohlen habe, ihren Bruder zurück zu holen, sei der Herr so krank geworden‚ ‚dass er ein großes Zittern in allen Gliedern empfunden, und mehr tod als lebendig gewesen‘. Die Gutsherrin habe der Angeklagten daraufhin gedroht – erst dann sei ihr Mann wieder gesund geworden.

Jacob Bergau, 6 Jahre alt, Sohn der Angeklagten, erzählt u.a.: fast jede Nacht, wenn er bei der Mutter gelegen habe, sei ein schwarzer Kerl namens Johannes gekommen und habe sich zu der Mutter ins Bett gelegt. Beide hätten sich auch unterhalten, aber er habe nichts verstehen können. Außerdem habe die Mutter immer Haar in ihrer Tasche gehabt – auch dem Lieutnant von Ripp habe sie Haare nachgeworfen. Später – als dieser sich entfernt hatte – habe sie diese Haare wieder aufgehoben, in ihre Tasche gesteckt und abends unter ihr Kopfkissen gelegt. Auch nachdem man dem Jungen vorhielt, er sei wohl von anderen zu dieser Aussage überredet worden, bleibt dieser bei seiner Aussage …

Gr. Lauth – Parkallee vom Gutshaus aus (Ostpreußen – Dokumentation einer historischen Provinz – phograph. Sammlung desProvinzialdenkmalamts Königsberg)

Die damaligen Gerichtsgeschworenen Gerge Feyerabend und Christoph Pohl – die bereits an dem erwähnten Prozess in Mühlhausen teilgenommen hatten – kommen ebenfalls zu Wort und berichten u.a., dass auch die in Mühlhausen verbrannte Else Anna Bergau beschuldigt habe.

Anna Bergau wird mit all diesen Zeugenaussagen konfrontiert. Sie bestreitet sämtliche Vorwürfe und wird erneut inhaftiert. Sohn Jacob wird zur Hofmutter ins Vorwerk ‚Korwingen‘ gebracht (damit ist vermutlich das Vorwerk Carwinden gemeint).

Es folgen weitere Verhandlungstage und immer wieder beteuert Anna Bergau ihre Unschuld. Sie wird als ‚halsstarrig‚ und ‚boshaftig‚ beschrieben und sei sehr verdächtig mit Gebehrden – wenn sie weinen wolle, könne sie ’nicht einen Thran lassen oder zu wege bringen‚.

Auch Sohn Jacob wird erneut vernommen – er berichtet abermals von dem Schwarzen Kerl namens Johannes, der auch ihn immer mal wieder aufsuche. Er habe ihm aufgetragen, er sollen beten, ‚daß seine Mutter lößkäme und seine Mutter wäre sein Weib und er (,) Jacob(,) sein Sohn und hätte ihm auch die Hand darauf geben müssen, so gantz kalt und schwartz gewesen wäre‘ ….

Der Bericht des Gutsgerichts wird auch im Königsberger Rat besprochen – die Ausführungen des Patrimonalgerichts werden für rechtens erklärt und von Melchior Ernst von Kretyzen im Namen des Hofgerichts bestätigt.

Am 20. März 1686 bekennt Anna Bergau schließlich: ihre Mutter, die 3 Monate zuvor in Mülhausen verbrannt wurde, sei eine böse Mutter gewesen – sie habe ihr den ‚Geist Johannes‚ zugeführt, mit dem sie seitdem zusammen gelebt habe – auch einige Kinder seien geboren worden, diese seien schwarz gewesen und hätten ein Menschengesicht gehabt. Ihr Bruder könne ebenfalls hexen – er habe dies während des Krieges bei einer Frau in Creuzburg gelernt.

Nach wie vor weist Anna Bergau einige der Anschuldigungen zurück, gibt aber zu, dass sie eine Strafe verdient habe . Für ihren Sohn bittet sie, ‚daß er vom Geist entledigt werden, und Sie wolle auch mit dem Herrn Pfarrer fleißig beten, daß Gott ihrer armen Seele gnädig sei‘

Anna Bergau wird ‚Ihrer grausamen begangenen Teuffeley und Zanteley halber mit dem Feuer vom Leben zum Tode comdemniret und verdammet‘. Sohn Jacob soll zur Heiligen Andacht und zum Gebet angehalten – evtl. auch in ein Krankenhaus gebracht werden – ‚bis er solchen aufgebanneten bösen Geistes völlig befreyet wird‘.

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Genealogie und künstliche Intelligenz?

Ich habe ein wenig mit BARD experimentiert und bin etwas verwirrt ….

Zunächst habe ich ihn gefragt: Was ist Genealogie? Seine Antwort ist nicht schlecht:

Die Genealogie ist die Wissenschaft der Abstammung von Personen. Sie beschäftigt sich mit der Erforschung und Dokumentation der Herkunft und der Familienbeziehungen von Menschen. Genealogen verwenden eine Vielzahl von Quellen, darunter Geburts-, Sterbe-, Heirats– und Taufurkunden, Kirchenbücher, Steuerunterlagen, Militärakten und andere historische Dokumente.

Die Genealogie kann eine faszinierende und lohnende Freizeitbeschäftigung sein. Sie kann uns helfen, mehr über unsere Vorfahren zu erfahren, ihre Geschichten zu erzählen und unser Verständnis der Geschichte zu vertiefen.

Hier sind einige der Vorteile der Genealogie:

  • Sie kann uns helfen, unsere Identität und unsere Wurzeln zu verstehen.
  • Sie kann uns mit unseren Vorfahren verbinden und uns ein Gefühl der Zugehörigkeit geben.
  • Sie kann uns helfen, die Geschichte unserer Familie und unserer Community zu verstehen.
  • Sie kann uns motivieren, unsere Familie und Freunde kennenzulernen.
  • Sie kann uns Spaß und Freude bereiten.

Wenn Sie daran interessiert sind, Genealogie zu betreiben, gibt es viele Ressourcen, die Ihnen helfen können. Es gibt Bücher, Websites und OnlineForen, die Ihnen Informationen über die Grundlagen der Genealogie und darüber, wie Sie mit der Forschung beginnen können, geben. Sie können auch einen Genealogen beauftragen, der Ihnen bei der Suche nach Ihren Vorfahren hilft.

Hier sind einige Tipps für den Einstieg in die Genealogie:

Beginnen Sie mit Ihren eigenen Familienmitgliedern. Fragen Sie Ihre Eltern, Großeltern und andere Verwandte nach Informationen über ihre Vorfahren. Suchen Sie nach historischen Aufzeichnungen. Es gibt viele verschiedene Arten von historischen Aufzeichnungen, die Informationen über Ihre Vorfahren enthalten können. Verwenden Sie Genealogie-Software. Genealogie-Software kann Ihnen helfen, Ihre Forschung zu organisieren und zu verfolgen.


Seien Sie geduldig. Genealogie kann eine zeitaufwändige Aufgabe sein. Aber es kann auch sehr lohnend sein.

Anschließend stellt ich eine Frage zu meiner eigenen Familienforschung – sie lautete: Kannst du mir etwas über Familie Ankermann im 18. Jahrhundert sagen? Dies war seine Antwort:

Ich fragte auch nach den Quellen. Seine Antwort:

Nun wollte ich wissen, wo ich diese Literatur einsehen kann – und auch diese Frage beantwortete Bard:

Mein erster Eindruck: Man darf nicht alles glauben, was Bard sagt! Es wird ja auch darauf hingewiesen, dass sich das Programm noch in der ‚Experimentierphase‚ befindet! Bard muss noch mit vielen Fakten ‚gefüttert‚ werden und bringt offenbar einiges durcheinander. Familie Ankermann ist kein ‚angesehenes Adelsgeschlecht‘ – aber dass er als Ursprung der Familie die Region ‚Natangen‚ angibt, ist schon toll! (Vielleicht hat er u.a. mein ‚Genealogie-Tagebuch‘ ausgewertet?)

Verwirrend finde ich die konkreten Personen-Angaben. Ich habe mich sehr intensiv mit Familie Ankermann in Natangen beschäftigt, aber zu keiner der von Bard genannten Ankermann-Personen finde ich selbst nähere Informationen … und auch die angegebene Literatur kann ich nirgends finden … Hat er sich das ausgedacht????

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Was hat Schloss Meseberg mit Worienen (Woryny) im Kreis Pr. Eylau zu tun …?

Immer dann, wenn sich unsere Regierungsvertreter – so wie momentan – zu einer Klausurtagung im Schloss Meseberg versammeln, fällt mir ein, dass ich dieses Schloss auch in meinem WorienenBuch erwähnt habe …..

Schloss Meseberg
Foto: Bundesregierung/Fassbender –
https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/meseberg

‚Schloss Meseberg ist ein Barockschloss in Brandenburg aus dem 18. Jahrhundert. Es wird als Gästehaus der deutschen Bundesregierung genutzt und liegt etwa 70 Kilometer nördlich von Berlin in Meseberg, einem Ortsteil der Stadt Gransee mit 150 Einwohnern. Das Anwesen liegt direkt am östlichen Zipfel des Huwenowsees‘. (Wikipedia)

Dies ist ein Auszug aus meinem Buch:

Worienen unter Karl Friedrich Oskar von Gamp

Das Woriener Schloss

Karl Friedrich Oskar von Gamp kommt am 24.11.1846 nicht weit von Worienen entfernt – in Massaunen im Kreis Friedland – als Sohn des Gutsbesitzers Alexander Gamp und Ehefrau Eveline Müller zur Welt. Kurz nachdem die Begüterung Worienen (1907) in seinen Besitz übergegangen ist, ist sie „mit dem Anteil an Neuendorf 1913 wieder 1531 ha groß … Zum Gutsbetrieb gehörten 117 Pferde, 650 Rinder – davon 280 Kühe –, 550 Schafe und 400 Schweine. Es wurde Teichwirtschaft, Herdbuch-Viehzucht und Kaltblut-Pferdezucht betrieben; Mühle, Sägewerk, Brauerei, Molkerei und Käserei waren vorhanden“. (Quelle: Horst Schulz, Die Städte und Gemeinden des Kreises Pr. Eylau, S. 457)

Nach Carl H. Ziese, dem Besitzer der Schichau-Werke in Elbing, Danzig und Pillau, ist von Gamp – als Eigentümer der Fideikommisse Massaunen und Hebron-Damnitz im Kreis Stolp in der Provinz Pommern sowie der im Kreis Preußisch Eylau gelegenen Güter – nun der reichste Mann der Provinz Ostpreußen und ihr reichster Grundbesitzer. „Er ist ein geschickter Landwirt und darf bald den Titel eines Geheimrats führen. Als Abgeordneter der Freikonservativen Partei zieht er 1884 in den Preußischen Landtag ein, dem er bis zu seinem Tod 1918 angehört. . . . 1907 wird Karl Gamp als Freiherr von Gamp-Massaunen in den Adelstand erhoben. . . . Seine Ehefrau Clara ist eines der Kinder von Friedrich Bayer, einem der beiden Gründer der Bayerwerke.“ (Quelle: Hermann Pölking, Ostpreußen, Biographie einer Provinz; Seite 289)

Karl von Gamp verstirbt am 13.11.1918 in Berlin. Nach seinem Tod erbt seine Ehefrau, die „Freifrau v. Gamp-Massaunen und Hebron-Damnitz“ die Begüterung Worienen. 1922 wird diese in Niekammers Güteradressbuch noch als Besitzerin des Ritterguts Worienen sowie als Besitzerin von Glomsienen (mit dem Vorwerk Dörsen) und dem Dorf Neuendorf aufgeführt.

Zeitgleich wird jedoch Wilhelm Diehn – der Ehemann der Tochter des Freiherrn von Gamp – bereits als „Rittergutsbesitzer von Worienen“ genannt. (Aufgeführt in einem Kreisblatt vom Juli 1922 in einer Liste von Personen, die im Monat zuvor einen Jagdschein erhalten haben – siehe Abbildung)

Als letzter Privatbesitzer der Begüterung Worienen verkauft Wilhelm Diehn diese für etwa 1,5 Millionen Reichsmark an die Ostpreußische Landgesellschaft

Wilhelm Diehn verlässt Worienen und erwirbt von seinem Erlös aus dem Verkauf der Begüterung einen Gutshof in Götschendorf in der Uckermark.

Am 27. März 1930 sendet er von dort aus eine Vollmacht an den damaligen Gemeindevorsteher Hans Chrestien von Worienen. Dieser wird von ihm ermächtigt, ihn bei den Verhandlungen bezüglich der bevorstehenden Vermessungen rechtskräftig zu vertreten.

Beide Dokumente stammen aus dem Staatsarchiv Olsztyn:

Worienen, d. 1. April 1930 – die in den vorstehenden Verhandlungen 1-5 beschriebenen Grenzen und Grenzzeichen erkenne ich (,) der Bevollmächtigte der Frau Hildegard Diehn, geb. von Gamp und des Herrn Wilhelm Diehn den Nachbarn gegenüber als rechtsverbindlich an. Chrestin, Gemeindevorsteher

Zum Verbleib des letzten Besitzers der Begüterung Worienen wurde mir aus privater Quelle mitgeteilt: „Der Gutshof in Götschendorf in der Uckermark wird bis zum Jahre 1943 von Familie Diehn bewirtschaftet“. Götschendorf liegt am Rande der Schorfheide. 1943 müssen sämtliche Gutshöfe innerhalb dieses Gebiets an den Reichsmarschall Hermann Göring abgetreten werden, der sich die Schorfheide als Jagdgebiet auserkoren hatte.

Wilhelm Diehn ist Offizier der Wehrmacht und wird in einer weiteren Quelle als „enger Freund Hermann Görings“ bezeichnet.“

Der Journalist Florian Illies beschreibt in seinem Artikel „Das Bild über dem Sofa” den Weg des Bildes „Rüstungen” von Adolf Menzel, das sich ehemals im Besitz des Berliner Kunsthändler-Ehepaars Pächter befand. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurde die jüdische Familie Pächter verfolgt, viele ihrer Bilder gelangten in den Zwangsverkauf. „Am 5. und 6. April 1940 wurde beim Berliner Auktionshaus Hans W. Lange das Menzel-Werk „Rüstungen“ von Sch. Dahlem versteigert . . . Der Käufer war der Wehrmachtsoffizier und enge Freund Hermann Görings, Wilhelm Diehn, der das Blatt 1941 bei Lange wieder verkaufte und dort als ’D. Götschendorf’ erschien.“ (Quelle: Journal „Griesebach“ vom Herbst 2014, Seite 46)

Der Gutshof in Götschendorf wechselt den Besitzer und wird bis 1945 von Hermann Göring als Jagd- und Gästehaus genutzt. Wilhelm Diehn wird stattdessen Besitzer des Schlosses Meseberg in Brandenburg. Außerdem erwirbt er Eigentum am Bodensee.

Die Geschichte von Schloss Meseberg | Bundesregierung: Anfang der Dreißiger Jahre musste Lessings Witwe Anna „das gesamte Anwesen aber aus finanzieller Not heraus verkaufen. Ab diesem Zeitpunkt wechselte das Schloss alle paar Jahre seinen Besitzer. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs waren das der Diakonieverein Berlin-Zehlendorf und dann der Landwirt Fritz Lang. Dieser musste es schließlich wohl auf Druck von Hermann Göring dem Wehrmachtsoffizier Wilhelm Diehn überlassen.“

Das Gut Meseberg wird bis zum Einmarsch der Russen noch bewirtschaftet. Aufgrund politischer Auseinandersetzungen innerhalb der NSDAP wird Wilhelm Diehn verhaftet und ins KZ nach Sachsenhausen gebracht. Er wird vor Kriegsende aus dem KZ entlassen, von der Roten Armee verhaftet und in den Osten gebracht. Dort soll er von einem hohen polnischen Offizier erkannt worden sein, der sich als Kriegsgefangener auf dem Gut Meseberg aufgehalten hatte. Wilhelm Diehn wird aus seiner Gefangenschaft entlassen und flüchtet – mit 2 Wagenladungen seines Eigentums – auf seinen Besitz am Bodensee. Dort lebte er noch bis zum Jahre 1960. (Auch diese Angaben stammen aus privater Quelle).

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Tolkmitt-Spuren in Eichholz und Landsberg

Quelle: Bildarchiv Ostpreußen

Die kleine Kirche in Eichholz – heute Dębowiec – hatten wir schon im Sommer 2011 besucht. Damals konnten wir sie leider nur von außen bewundern.

In dieser Kirche heirateten 1770 meine Vorfahren Johann Friedrich Westphal (Müllermeister und Pächter der Mühle zu Wilknitt – dann Pächter der Reichsgräflichen Steegenschen Mühle) und seine Ehefrau Maria Ewert aus Wohlau. Sie selbst sowie ein Großteil ihrer Vorfahren wurden in der Kirche getauft. Ihre (und meine) Tolkmitt-Ahnen – Elisabeths Mutter ist eine geborene ‚Tolkmitt‚ – gingen hier schon um 1600 ein und aus …

eigenes Foto – Sommer 2004

Diesmal hatten wir großes Glück – dank unseres ’native speakers‘ wurde uns die kleine Kirche aufgeschlossen, so dass wir sie auch von innen besichtigen konnten! Das alte Taufbecken ist noch vorhanden – die Struktur von Decke und Empore blieben erhalten, die Farben wurden bei der Renovierung geändert. Vielleicht sind dies die ursprünglichen Farben? Der gesamte Innenraum wirkt hell und freundlich. Auch einige der alten Bänke wurden wieder aufgestellt.

Das linke Foto stammt aus dem Jahr 1984 (Quelle: Bildarchiv Ostpreußen) –
rechts eine aktuelle Aufnahme von mir – Juli 2023

Im unteren Teil des Bildes befinden wir uns auf dem Eichholzer Friedhof – Kirche und Ort sind im Hintergrund erkennbar. Auch auf diesem Friedhof suchten wir nach Spuren alter Gräber und – welche Freude! – etwas abseits gelegen in hohem Gras entdeckte mein Sohn den Grabstein von Fritz Tolkmitt aus Wohlau (1883-1921). Heute heißt der Ort Wołowo.

FRITZ Gustav Arthur Tolkmitt wurde am 23. 12.1883 in Wohlau geboren und verstarb am 10. Mai 1921 in Layß bei Mehlsack. Seine Ehefrau ANNA Charlottte Groß heiratete in 2. Ehe OTTO Emil Bernhard Nithack aus Silberberg, Kr. Lötzen. Fritz Tolkmitts Eltern sind Friedrich Tolkmitt (1844-1920) und die aus Gallingen stammende Johanna Amande Bertha Hantel (1852-1915).

Mehrere Generationen der Vorfahren von Fritz Tolkmitt lebten in Wohlau bzw. in Gehdau (heute – Giedawy) einige Generationen sind unsere gemeinsamen Ahnen.

Dieser Hof in Wohlau wurde im Jahre 1832 von Johann Tolkmitt – Sohn des Ehepaars Peter und Maria, geb. Sternberg – erbaut. Bis um 1872 wohnten hier Nachfahren der Familie namens Tolkmitt.

1872 erscheint im Pr. Eylauer Kreisblatt das folgende Inserat:

Mein im Kirchdorfe Eichholz belegenes mass(ives) Wohnhaus mit 6 Stuben, wovon 3 Stuben zur Bäckerei eingerichtet sind, nebst Stall, beabsichtige ich bei geringer Anzahlung sofort zu verkaufen und bitte ich geeignete Reflektanten, sich direkt an mich zu wenden.

Tolkmitt, Gutsbesitzer, in Wohlau per Mehlsack

Leider war der Weg nach Wołowo derart versandet, dass wir diesmal auf die Fahrt dorthin verzichten mussten.

Auf einem anderen Hof in Wohlau verbrachten meine Freundin und ich im Sommer 2004 einige Stunden im Kreise einer sehr netten gastfreundlichen Familie, mit der wir uns zwar nicht unterhalten konnten, aber der Name ‚TOLKMITT‘ war ihnen bekannt. Damals notierte ich mir anschließend: Wir verbringen etwa drei gemütliche, spannende Stunden auf dem Bauernhof in Wohlau – und ohne dieselbe Sprache sprechen zu können, verstehen wir einander – irgendwie. Das Abschiednehmen ist so herzlich als hätten wir uns bereits lange gekannt.

Auch im Museum von Górowo Iławeckie (Landsberg) war eine Tolkmitt-Spur zu finden – ein Namensschild der Familie aus dem Kirchort Eisenberg (heute Żelazna Góra) im ehemaligen Kreis Heiligenbeil!

Wenn man möchte, kann man übrigens mit dem Auto durch (Eichholz) Dębowiec fahren! Der Film wurde 2011 erstellt.

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Zurück aus Natangen …

Es war meine dritte Fahrt in die Heimat meiner ostpreußischen Vorfahren – diesmal war ich nicht mit meiner Freundin unterwegs, sondern mit meinem Sohn, dem ich gern die wunderschöne Gegend um Landsberg (Górowo Iławeckie) zeigen wollte, in der viele unserer Ahnen etwa 350 Jahre lang lebten. Für mich war es ein besonderes Abenteuer, denn ich übernachtete erstmals in einem Camper!

Auf der Hinfahrt – irgendwo in Hinterpommern

Begleitet wurden wir mehrere Tage lang von meinem Genealogen-Freund Maarten, der die lange Autofahrt aus Krakau auf sich genommen hatte, um uns zu treffen. Wir kennen uns schon lange, haben uns bereits in Oldenburg und Krakau getroffen und gemeinsam den Soldatenfriedhof in Galizien besucht, auf dem mein Großvater begraben liegt. Nun konnten wir zusammen Natangen genießen!

Dank Maarten kann ich inzwischen auch den polnischen Namen der Geburtsstadt meines Opas – Górowo Iławeckie – einigermaßen richtig aussprechen. Wir haben fleißig geübt!

Ausgangspunkt für unsere Ausflüge war – vom Namen her sehr passend – ‚Terra Natangia‚ in Żywkowo, wo wir von unserer Gastgeberin Alicja sehr verwöhnt wurden und uns ausgesprochen wohl fühlten. Die Störche begrüßten uns jeden Morgen mit ihrem Geklapper und Alicja brachte mir schon vor dem eigentlichen – immer sehr leckeren – Frühstück einen starken Kaffee, ohne den ich nicht richtig wach geworden wäre. Eigentlich hätten wir mehr Zeit auf dem Gelände verbringen müssen, denn Terra Natangia ist ein kleines Paradies! Hier sieht man noch ein wenig mehr.

Żywkowo hieß früher Schewecken – der kleine Ort ist von Górowo Iławeckie aus gut zu erreichen. Man fährt an der Abbiegung nach Woryny vorbei, durch Gallehnen (Gałajny) am Gut Grünhöfchen (Gradzik) vorüber- das immer noch so aussieht wie vor 20 Jahren – und landet schließlich auf einem etwas rumpeligen Weg im Storchendorf Żywkowo.

‚Fährt man an der letzten Abzweigung geradeaus, kommt man zur russischen Enklave Kaliningrad. Wäre die EU eine Scheibe, hier wäre sie zu Ende. Links dagegen geht es in das letzte Dorf Polens, Schewecken/Żywkowo. Die kleine Siedlung mit den Backsteinhäusern und hölzernen Gehöften ist typisch für Masuren, den wald- und seenreichen Landstrich im ehemaligen Ostpreußen. Die meisten Dorfbewohner sind aber eher ungewöhnlich: Auf zwei Beinen, aber sehr federreich: Störche‘. (Quelle: Deutsches Kulturforum östliches Europa)

ŻywkowoSchewecken

Die erste Nachricht über Schewecken stammt aus dem Jahre 1617, als Wolf von Kreytzen auf Gr. Peisten „im Schewecken“ ein Vorwerk von 12 Hufen anlegen wollte. Ihm wurde jedoch das Dorf Schönwiese verliehen, das näher zu seinem Hauptgut lag. Um 1650 waren die 11 Hufen von „Schweyken“ mit 3 Bauern besetzt: Daniel KampHans Schincke und Hans Schmidt, der Schulze. Außerdem lebte noch der Instmann Gregor Kroll im Ort. 1785 hat das königliche Dorf 6 Feuerstellen und gehört zur Kirche Pr. Eylau1820 sind es ebenfalls 6 Feuerstellen und 44 Einwohner. … 1846 sind 8 Wohngebäude und 53 Einwohner im Dorf – 1885 gibt es 13 Haushalte mit 73 Einwohnern in 8 Häusern. … Etwa am 10. Februar 1945 wurde Schewecken von sowjetischen Truppen besetzt. Es wurde kaum etwas im Dorf zerstört. (Quelle: Horst Schulz, Die Städte u. Gemeinden des Kreises Pr. Eylau)

Auch bei dieser Reise bin ich wieder total begeistert von der natangischen Landschaft – von den sanften Hügeln, den dichten Wäldern und weiten Feldern, den Alleen, kleinen und großen Seen und von dem ostpreußischen Himmel, der als polnischer Himmel ebenso beeindruckt!

Die Straßen sind sehr viel besser als vor 12 Jahren – auf die Besichtigung einiger kleiner Vorfahren-Orte verzichteten wir jedoch, da sie nur auf unbefestigten Sandwegen erreichbar gewesen wären.

Ich war gespannt darauf, ob sich innerhalb der Stadt Landsberg viel verändert hat seit ich im Sommer 2011 zuletzt dort war.

Das kleine Café am Marktplatz, in dem meine Freundin und ich auch mit Frau Heidenreich – der damaligen Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft Natangen – im Sommer 2011 gesessen hatten, ist leider nicht mehr vorhanden – aber viele schöne Blumen rund um das Rathaus und am Töpferteich neue Wege, Bänke und Lampen.

Einen Bezug unserer Familie gibt es zu einigen Häusern in der ehemaligen Burgstraße – heute Warminska. Im Haus Nr. 144 wohnten von etwa 1890 bis um 1906 der Kaufmann Julius Schnell und seine Ehefrau Auguste Clara Ankermann mit ihrer Familie.

Im Erdgeschoss des Hauses befand sich das Geschäft, in dem Julius Schnell Kolonialwaren sowie Eisen- und Stahlwaren verkaufte. Hier werden viele unserer Vorfahren ein- und aus gegangen sein! Das Haus existiert noch.

Das gelbe Haus auf dem linken unteren Bild wurde mittlerweile abgerissen – dort befindet sich nun ein Parkplatz und so kann man durch die entstandene Lücke vom Marktplatz aus in die Ferne blicken.

Obwohl es eigentlich geschlossen war, ermöglichte uns Frau Lewandowska – die jetzige Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft Natangen – den Besuch des Landsberger Museums, das ich nie zuvor besucht hatte. Die Räume sind voll mit gesammelten Fundstücken aus der Zeit vor 1945: Namensschilder Porzellan Schmuck Fotos u.v.a. Ich fragte mich, in welchen Haushalten sich wohl all diese Dinge befunden haben mögen … Vielleicht hat auch jemand aus meiner Verwandtschaft aus einer der Tassen getrunken …?

Welche Familien mögen diese Sprüche täglich gesehen und evtl. verinnerlicht haben…? (So wie ich selbst den Spruch, der mich durch meine Kindheit begleitete: ‚Und wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her‘!). Wer mag ‚Die Ahnen‚ von Gustav Freytag wohl in den Händen gehalten und gelesen haben …?

Am Schlossteich von Wildenhoff versuchten wir uns vorzustellen, wie es ausgesehen haben mag als das Schlossgebäude dort noch stand.

Natürlich freute ich mich besonders darauf, Worienen (Woryny) wiederzusehen – den Ort, mit dessen Geschichte ich mich für die Zusammenstellung der Chronik so lange beschäftigt habe. Dass sich der Zustand des Dorfes sehr gewandelt hat, wusste ich vor unserem Besuch. Den Ort wiederzusehen, hat mich sehr berührt.

Am ehemaligen Parkgelände steht nur noch ein einzelnes Haus, der frühere Woriener Krug. Das im unteren Foto angekreuzte Gebäude – einstmals Wohnhaus von Familie Ebner – war bereits bei meinem 1. Besuch vor fast 20 Jahren sehr marode und zerfallen; nun existiert es nicht mehr.

Das früherer Administratorenhaus wurde aufwändig renoviert und ist nun ein Seniorenheim. Endlich konnte ich mit eigenen Augen die Inschrift aus der Zeit der Familie von Domhardt bewundern, die man bei der Freilegung des Sockels entdeckt hatte. (Hier kann man Näheres dazu nachlesen) … Und ich stellte mir vor, dass auch die Kutsche neben dem Gebäude noch aus der Zeit der Familie – übrig geblieben sei, aber das wird wohl nicht so sein!

Der Text aus den Woriener Gutsakten (links ein Ausschnitt aus meinem Buch) ist nun auch in polnischer und englischer Sprache auf einem Schild vor dem Gebäude nachzulesen.

Eine große Freude war der Besuch bei Herrn Joks – dem letzten in Worienen geborenen und dort verbliebenen Bewohner – und seiner Ehefrau. Wir verbrachten eine ganze Zeit gemeinsam in ihrem Garten – Frau Joks bewirtete uns mit leckeren gebackenen Apfelpfannküchlein und Herr Joks erzählte von seiner Kindheit in Worienen

Auf dem Kohnertsberg – von den heutigen Bewohnern der Region ‚Napoleonsberg‚ genannt – erhielt ich einen Eindruck von dem Ausblick, den mein Ururgroßvater Carl Westphal von seiner dort oben sich befundenen Holländermühle auf die Stadt Landsberg gehabt haben muss … Welch ein toller Standort – die ganze Stadt lag ihm zu Füßen!

Weitere Ausflugsziele waren Bartenstein Schippenbeil Heilsberg Canditten Neukrug – das Gutshaus Nerfken – die Kirche von Petershagen Rastenburg – die Wolfsschanze – die Burgruine in Prassen und das kleine Kirchdorf Eichholz im ehemaligen Kreis Heiligenbeil.

Leider habe – wie schon im Sommer 2011 – wieder nicht daran gedacht, Heinrichswalde (Wezykowo) zu besuchen, obwohl wir täglich ganz in der Nähe waren. Nicht zu fassen!

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Ein Stübchen bey der Schule …

Wie gut, dass ich selbst erst im 20. Jahrhundert Lehrerin wurde. Auch das war zwar nicht immer einfach, aber um ein Stübchen bey der Schule musste ich niemanden bitten!

Ein solches Stübchen ist der dringliche Wunsch des in der Stadt Preußisch Eylau (heute Bagrationowsk) lebenden Rektors Christian Baurath, der sich im Jahre 1709 – zunächst beim Magistrat der Stadt – über seine Wohn- und Arbeitssituation beklagt.

Die Bürokratie greift und mehrere Jahre lang wird nur hin und her geschrieben:

April 1709: Die Geheimen Staatsräte von Rauschke, von Kreytzen und von Canitz an den König: der Preußisch Eylauer Rektor Christian Baurath habe sich darüber beschwert, dass er im Eylauer Schulgebäude einen ‚gar zu engen und kleinen Raum habe‘ – er müsse mit einerzureichenden Wohnung versorget werden, ‚umb die Studia ungehindert excoliren (= vervollkommnen) und seiner Function in Unterrichtung der Jugend desto beßer Genüge leisten zu können‘ – die frühere Schule sei weitaus größer gewesen und es müsse noch wenigstens ein Stübchenim ietzt lauffenden Jahrangebaut werden! Die Kosten müsse der Magistrat übernehmen.

Dem Gesuch des Rektors wird statt gegeben – der König genehmigt den Anbau, aber die Schreiberei geht weiter!

September 1709: der Bürgermeister der Stadt Preußisch Eylau an den König: zwar habe der Rektor der Schule um Anbauung eines kleinen Gelaßes gebehten‚ und er habe ja auch die Erlaubnis erhalten, ‚weilen aber die Armuth bey dieser Stadt dergestaldt notorisch, daß die Bürger eine große Unvermögenheit vorschützen‘ möchte er der armen Bevölkerung die Kosten nicht zumuten – sein Vorschlag: der Bau solle von der Kirche bezahlt werden!

4, Juli 1716: Amtshauptmann Heinrich Albrecht von Kalnein ordnet an, die Einwände seien unerheblich und ’sothaner Bau (müsse) ohne Verzug vorgenommen werden‚- sonst drohe eine ‚Fischkalische Straffe‘

17. Juli 1716: ein Schreiben des Eylauer Magistrats an den König: der Rektor wolle ein Stübchen zu seinem Plaisir‘ – er solle sich mit seiner Wohnsituation zufrieden geben und die Bürgerschaft mit solch unnötigen Unkosten nicht beschweren – auch die Bürger könnten ‚ihre eigenen Wohn Häuser selbst nicht beßern und im rechtem Stande halten‘ – unterschrieben vom Pr. Eylauer Bürgermeister Salomon Müller und dem Ratsverwandten Jacob Ritterhausen ‚im Nahmen der gantzen Gemeine‘

Christian Baurath gibt jedoch nicht auf. Er wendet sich 1716 erneut an den König und berichtet, dass man ihm trotz Bewilligung und hoher Königlicher Verordnung noch immer kein Stübchen angebaut habe, da der Pr. Eylauer Magistrat dies verhindere.

Das klingt dann so:

‚Welcher gestaldt Ew. Königl. Majestät auf mein allerunterthänigstes Vorstellen und Bitten, daß mir von hiesiger Stadt ein Stübchen noch angebauet werden möchte, bereits 1709 allergnädigst verordnet, solches wird die Beylag A mit mehreres zeugen. Nun habe mich zwar bey hiesigem Ambte deshalb gebührend angegeben, auch das vorerwehnte hohe Königl(iche) Verordnung zur Execution gebracht werden solte, alle mahl gute Versicherung erhalten.

Weilen aber unterschiedene Verhinderungen, bald durch Verenderung eines Actuary beym Ambte, bald des Stadt-Magistratus, denn gar eines Haubtmanns alhir vorgefallen; so bin dadurch in meinem Gesuch jeder Zeit gehindert worden, daß ich bißhero nicht zum Stande kommen können. Da ich nunmehro unter dem Gouvernement unseres itzigen Ambts-Haubtmanns die Sache von neuem gesuchet, auch wie die Ambtsschreiber Sub B. et C. es ausweisen, vom Ambte gutte Verabscheidungen erhalten; So suchet nun der Magistrat auf allerhand Art mir schwer zu fallen, und bey der ohnedem beschwerlichen Schul-Arbeiten mein Leben noch sauer zu machen.

Wann aber Allergnädigster König und Herr, wie ich solches vorhin schon in aller Unterthänigkeit vorgestellet, in dem einen Stübchen, welches mehr einem Gange, alß Stübchen ähnlich ist, ich mit den Meinigen mich unmöglich behelffen, noch ich mir ein Studia prosequiren (prosequieren=einklagen; gerichtlich verfolgen) kan, Ew. Königl. Majestät auch sothane höchstnöthige Anbauung eines Stübchens gemäs vorher erwehnter Hohen Verordnung Sub. A bereits allergnädigst verstattet; alß(o) flehe ich den Thron Ew. Königl(ichen) Majestät hirdurch nochmahlen allerunthertänigst an, mich wieder E. hiesigen Magistrats oder vielmehr nur einiger zu contradiciren (=widersprechen) gewohnter unruhiger Bürger ungegründetes Einwenden bey der einmahl ergangenen Hohen Königl(ichen) Verordnung, auch denen Ambtsschreiben mächtigst zu schützen, und den Magistrat zur schuldigen Parition (=Befolgung) Ew. Königl(ichen) Majestät ergangenen Hohen Verordnung nachdrücklich anzuhalten.

Getröste mich allergnädigster Erhörung und ersterbe Ew- Königl(iche) Majestät

allerunterthänigster Knecht Christian Baurath

Ob Christian Baurath sein Stübchen jemals erhalten hat, erfährt man leider nicht … Die Akte des Königsberger Etatsministerium mit dem gesamten Schriftverkehr ist als Digitalisat des Staatsarchivs Olsztyn hier einzusehen!

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‚Gott lob! daß wir ihn loß seyn‘.

Christoph Albrecht Weber wird am 29.9.1725 in Langheim geboren. (Quelle: Daniel Heinrich Arnolds ‚Kurzgefaßte Nachrichten von allen seit der Reformation an den lutherischen Kirchen in Ostpreußen gestandenen Predigern‘). Zunächst ist er Lehrer an der Kneiphöfschen Schule in Königsberg – anschließend kommt er als Adjunkt des Pastors Andreas Perschke in die ostpreußische Stadt Landsberg, wird ab 1745 dessen Nachfolger und auch sein Schwiegersohn.

26 Jahre lang übt Christoph Albrecht Weber das Pastorenamt in Landsberg aus – 1780 verlässt er die Stadt, um das Pfarreramt in Eichholz im Kreis Heiligenbeil zu übernehmen. Dort soll er am 29.1.1792 verstorben sein. (Quelle: Daniel Heinrich Arnolds ‚Kurzgefaßte Nachrichten von allen seit der Reformation an den lutherischen Kirchen in Ostpreußen gestandenen Predigern‘)

Der Umzug des Pfarers von Landsberg nach Eichholz wird begleitet von viel Aufregung und Ärger – der Ärger ist so groß, dass der Landsberger Richter Paulien am 22. Mai 1780 über Pfarrer Weber sagt: ‚Dieser Mann findet Vergnügen(,) sich bis an sein Lebensende zu zancken, Gott lob! daß wir ihn loß seyn

Während der Umzugsvorbereitungen beobachten der Ober-Kirchenvorsteher Johann Weyde, die Kirchenvorsteher Drell, Casimir und Krieger, dass der Pfarrer im Pfarrgarten ’sein Unwesen treibt‘. Sie berichten dies dem Landsberger Magistrat, der sich pflichtgemäß an den Lehnspatron der Stadt Landsberg – den Reichsgrafen von Schwerin auf Wildenhoff – wendet. Dieser wiederum kontaktiert den.König.

3 Monate lang – von Anfang Mai 1780 bis Ende Juli 1780 – herrscht reger Schriftverkehr zwischen allen Beteiligten und letztlich wird gegen Christoph Albrecht Weber eine Klage eingereicht. In der Klageschrift werden sämtliche Vergehen des Pfarrers ausführlich beschrieben. Hier einige Auszüge daraus:

Der Graf von Schwerin beklagt ‚die üble Gebahrung dieses Mannes‘ … Pfarrer Weber, der bei seinem Abzuge sich weigerte, sowohl die in Händen habende Vocation heraus zu geben, als auch sellbst die Taufbücher und andere zur Kirche gehörige Nachrichten, …. hat bis hirher mir in der betrübte Lage gebracht, daß ich die Pfarrer Stelle in Landsberg noch nicht besetzen können, da mir diejenige Vocation ermangelt, nach welcher ein andrer Prediger berufen werden soll. (Anmerkung: Vokation bezeichnet im evangelischen Kirchenrecht die kirchliche Berufung in ein geistliches Amt)

Christoph Albrecht Weber nimmt aber nicht nur diverse Unterlagen mit nach Eichholz, sondern verwüstet vor seinem Abzug auch den Garten des Landsberger Pfarrhauses. Der Graf berichtet: ‚Die umgehauenen Eschen, Castanien Bäume, so in dem innern Garten der Widdem gestanden, hat er zu Bretter schneiden und sie wegfahren laßen wollen, wenn nicht durch die Wachsamkeit der Kirchen Väter die Sache verlautbaret worden wäre, und die an den Magistrat von mir geschehene Ansuchung, daß dieses alles mit Arrest beleget werden möchte, angekommen gewesen.

Auflistung der von Pfarrer Weber abgehauenen Bäum

‚Als Lehnspatron der Stadt und Kirche Landsberg kann ich unmöglich bey diesem erheblichen Vorgange gleichgültig bleiben‘ – der Graf weist darauf hin, dass die Pfarrhuben, die Gebäude und auch dieObst- und Geküch-Gärthenzum Unterhalt der Pfarrer zählen und also auch für den künftigen neuen Pfarrer nutzbar sein müssen.

Als der Glöckner und die Kirchenväter den Pfarrgarten kontrollieren, werden sie vom Pfarrer wüst beschimpft Auch dies erwähnt der Graf von Schwerin in der Klageschrift. Dort heißt es: ‚in welcher Art Pfarrer Weber die Kirchenväter, und den Glöckner behandelt, sie mit den Namen Ochsen und Reckel (=Flegel) beleget, und als diese ihm erwiederet, daß sie es auf Geheiß thun müßten, hat er ihnen abermahls gesagt, daß ein Ochse und Reckel wie der andere wäre‘.

Nach Abzug von Pfarrer Weber wird das Pfarrland übergangsweise von den Kirchenvätern bewirtschaftet und Kaplan Jacob Neumann übernimmt ‚willig und gern während der Prediger Vacance die Verrichtung des Dienstes‘. Der 1740 in Landsberg geborene Jacob Neumann – ein Sohn Landsberger Kantors Gottfried Neumann und seiner Ehefrau Barbara Sophia Goßky (Goski) geb. Schultz – wird schließlich auch der Nachfolger von Christoph Albrecht Weber.

Man findet die Akte des Königsberger Etatsministerium mit dem gesamten Schriftverkehr als Digitalisat des Staatsarchivs Olsztyn.

Auch in folgenden Berichten werden ostpreußische Pastoren und ihre Familien erwähnt:

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Zweimal jährlich kommen die Probenreiter …

Als ‚Muster‚- bzw. ‚Probenreiter‚ wurden ehemals reisende Händler bezeichnet, die mit Proben ihrer – meist in großen Städten produzierten – Waren durch die Lande zogen und sie den Kaufleuten anboten.

Quelle: Ludolph Schleier, Contor-Lexikon für deutsche Kaufleute; Leipzig 1844

In seinem Buch ‚Kreuz- und Querzüge eines Probenreiters‘ beschreibt Paul Fuchs das Aufkommen dieser Handlungsreisenden 1865 auf humorvolle Weise:

‚Im Mittelalter gab es irrende Ritter, die zu Ehren ihrer Dame auf Abenteuer auszogen, fahrende Schüler, welche die Nilquellen der Wissenschaft zu entdecken strebten; in unserem Jahrhunderte – dem Jahrhunderte des sogenannten Fortschritts – versanden die tiefen Ströme. …

An Stelle der irrenden Ritter sind die Touristen getreten. … Die fahrenden Schüler haben sich dem Materiellen zugewendet, ihre Anzahl wächst täglich, sie sind jetzt der Segen und die Hoffnung der Eisenbahnaktionäre, die Vorsehung der Gasthäuser, die Freude und Plage der Geschäftsleute, die sie gleich Heuschreckenschaaren überziehen.

Für sie werden neue Schienenstränge gelegt; für sie wachsen große Gasthäuser wie Pilze aus der Erde; als neue Ashavere, die weder rasten noch ruhen dürfen, ziehen sie von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf … es sind die fahrenden Schüler moderner Wissenschaft – der Industrie – in höherem Style Geschäftsreisende, auf Französisch commis voyajeurs, im gewöhnlichen Leben Probenreiter genannt‘.

Quelle: Paul Fuchs, Kreuz- und Querzüge eines Probenreiters; Humoresken; Würzburg, 1865

Derartige ‚Probenreiter‚ tauchen auch im ostpreußischen Landsberg zweimal jährlich auf …

Rektor Carl Ludwig Holldack, der die Landsberger Chronik in den Jahren 1876-1880 führt, berichtet: ‚Was in unserer Zeit besonders die Handelswelt charakterisiert, das sind die Proben- oder Musterreiter (commis voyajeur). In den 1840 ziger und 50 ziger Jahren kamen Besitzer größerer Handlungs- und Weinhäuser von Berlin, Mecklenburg-Schwerin und namentlich Weinhändler Wolff von Stettin mit eigener Equipage nach unserer Provinz und schlossen mit Kaufleuten Geschäfte für ihr eigenes Haus ab.

Ich glaube: es reisten damals auch schon für die Färbereien Handlungs-Commis herum und schlossen namentlich für den theuren Indigo mit gutsituirten Färberei-Besitzern Contracte ab und machten dabei gute Geschäfte. Solchen reichen Handlungsherrn kam es dann nicht auf einen Tag an manchen Orten an. Da sie ihr eigenes Fuhrwerk hatten, konnten sie ja zu jeder Stunde des Tages rechts und links nach einer anderen Stadt abfahren(;) sie blieben daher an manchen Orten, da sie Geschäfte gemacht und amüsirten sich auch mit ihren Geschäftsfreunden.

So blieb gewöhnlich der Weinhändler Wolff aus Stettin immer noch einen Tag länger in unserem Städtchen, fuhr dann mit uns (ich war als junger Mann gewöhnlich auch dabei) nach dem Park von Worienen (der sehr schön gehalten war) und ponirte dort unter grünem Laubdach am Parkteiche ein Paar Bowlechen und fuhr dann zurück mit uns über Eichhorn und Gr. Peisten nach Hause. Nur wenige Kaufleute: Reimer und Ohlenschläger hielten damals Wein auf Lager und A. Reimer und J. Ohlenschläger waren damals schon meine Freunde.

Zum Park von Worienen: ‚Schon Pastor Johann Friedrich Puttlich ist bei seinem Besuch in Worienen im Mai des Jahres 1795 begeistert von dem Schlosspark und einem wunderschönen Naturgarten. Er berichtet von ausländischen Bäumen wie Zypressen und Pappeln, von Akazien, seltenen Stauden und Gewächsen. Außerdem gab es mehrere Teiche, Brücken, eine Orangerie und an mehreren Stellen lauschige Sitzplätze. (Quelle: Worienen – Woryny – Chronik eines Ortes in Natangen)

Früher trafen solche Handlungsreisenden nur sporadisch bei uns ein(;) nachdem aber unser Land und unsere Provinz mit einem Netz von Eisenbahnen und Chausseen überzogen, kamen diese Herren oder schickten ihre Probe– oder Musterreiter aus allen Richtungen der Windrose zu uns und beglückten den Kaufsmannsstand mit allen nur möglichen Manufactur– und Material-Waaren-Proben. Es gab bald keine Handels-Branche, welche nicht durch solche Herren vertreten wurde. Da machten die Einen in Manufaktur– und Wollwaren, die Anderen wieder in Materialwaren. Die Einen in Pfropfen, die Anderen in Schwefelhölzchen(,) die Einen nur in Heringen (die sogenannten Heringsbändiger), die Anderen nur in Zigarren etc. etc.

Auch sogar der Handwerkerstand wurde von solch reisenden Herren bedient. Die Schuhmacher versorgte man nicht nur mit gutem Sohl- und Oberleder(m,) sondern führte ihnen Schuhleisten, Schuhzwecken aller Art und Stiefelblöcke zu. Die Bäkler und Faßbinder versorgte man für ihr Tonnen– und Eimer-Geschäft mit eisernen Bandnieten. den Tischler mit eisernen Holzschrauben etc. etc.

Fast alle Handlungen, die solche Leute ausschicken, geben ihren Abnehmern einen halbjährigen Credit und daher kommt’s daß man bei diesen Musterreisenden mehr Bestellungen macht als bei bekannten Handlungshäusern, bei denen man gewöhnlich gleich bar bezahlt.

Diese Probenreiter ziehen durch unsere Provinz in Massen, gewöhnlich zweimal des Jahres: einmal im Herbste, wenn sie ihre Waren feilbieten und dann im Frühjahr, wenn sie zum Einkassieren des Geldes für ihre Waren kommen‘.

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Familie Teichert in Grauschienen, Reddenau und Gallingen

In einem Heimatkreisblatt des ehemaligen Kreises Bartenstein, das im März 2023 erschien, ist u.a. ein Bericht über eine Familie Teichert zu finden, die aus dem Kreis Preußisch Eylau stammt und über lange Zeit auch dort lebte. Der Bericht basiert auf Erzählungen von Franz Georg Teichert. Es folgen einige Auszüge daraus – und einige Ergänzungen von mir.

Franz Georg Teichert wird 1867 im Dorf Grauschienen im Kreis Pr. Eylau als Sohn des Bauern Carl Teichert und seiner Ehefrau Maria geb. Boehnke geboren und wächst mit seinen Geschwistern in Grauschienen auf.

Die Ortsbezeichnung Grauschienen existiert im Kreis Pr. Eylau zweimal: es gibt das Dorf Grauschienen südlich von Groß Peisten und das Gut Grauschienen in der Nähe von Reddenau. Um Verwechslungen zu vermeiden, wurde das Dorf zeitweise ‚Groß Grauschienen‘ und das Gut ‚Klein Grauschienen‘ genannt.

Doch zurück zu Familie Teichert …

Nachdem der Vater 1878 in Reddenau einen Besitz von 3 Hufen gekauft hatte, verlässt die Familie das Dorf Grauschienen und zieht auf das neue Anwesen. Carl Teichert erwirbt auch das Nachbargundstück in Reddenau und pachtet zudem noch über 100 Morgen Pfarrland hinzu. Franz Teichert:

‚Als wir Brüder die Soldatenzeit hinter uns hatten, dachten wir auch daran, uns selbständig zu machen. Nachdem die Mutter 1892 gestorben war (Anmerkung: lt. Sterbeeurkunde des Standesamts Reddenau verstarb sie am20.2.1891), gab mein Vater die Wirtschaft ab und kaufte das Pfarrwitwen-Grundstück mit 3 Morgen Gartenland als Altensitz. Die Brüder und die Schwester wurden ausgezahlt und ich, Franz, übernahm die kleine Wirtschaft, die mein Vater mal angekauft hatte in einer Größe von 90 Morgen. Ich nahm deshalb die kleine, weil ich mir vorgenommen hatte, nicht in Reddenau zu bleiben.‘

Bei einer Festlichkeit erfährt Franz Teichert vom Tod des Landwirts Friedrich Wilhelm Langhals in Gallingen und davon, dass dessen älteste Tochter Auguste Maria Langhals, die seinen Besitz übernehmen solle, im heiratsfähigen Alter sei. Sie ist zu dieser Zeit 19 Jahre alt.

Friedrich Wilhelm Langhals verstirbt am 29.4.1895 in Gallingen. Er ist seit 1875 verheiratet mit Henriette Justine Molgedei aus Gallingen, einer Tochter von Friedrich Molgedei und Johanne Knippke.

‚Mit dieser Mitteilung ging ich nach Hause‘, berichtet Franz Teichert und ‚Da ich den Gedanken an die Einheirat nicht los wurde und auf der kleinen Wirtschaft nicht bleiben wollte, besprach ich das mit meinem Vater, welcher mir noch zuredete‘.

Familie Teichert aus Reddenau und Familie Langhals aus Gallingen lernen sich kennen und dann geht alles sehr schnell. Franz Teichert erzählt: ‚Da wir uns alle gegenseitig gefallen hatten, fuhr ich bald wieder rüber. Da fand ich meine Zukünftige am Webstuhl sitzen, und wir haben uns verlobt. Ich zog Anfang September hin und am 25.10.1895 war unsere Hochzeit.

Die Gebäude in Gallingen waren nicht nach meinem Geschmack. Die Scheune, der Pferdestall mit Schweinestall hatten ein Strohdach. Am Wohnhaus blieb auch viel zu wünschen übrig, ein Insthaus war nicht vorhanden. Das Allerbeste war meine junge Frau, die sich vor keiner Arbeit fürchtete. … Ich fing dann gleich an zu bauen. Es war noch eine schwarze Küche vorhanden wie in alten Zeiten, dahinter eine Kammer. Aus der schwarzen Küche und der Kammer wurde eine schöne helle Küche gemacht. Weil kein Insthaus vorhanden war, ließ ich ein Insthaus für vier Familien bauen.

Am Ende des Jahres 1896 wird Sohn Emil geboren – es folgen 1898 Sohn Fritz und 1901 Tochter Paula. Danach erkrankt die Mutter schwer und verstirbt im Herbst des Jahres 1902.

2 Jahre lang bewirtschaftet Franz Teichert den Hof gemeinsam mit der Großmutter seiner verstorbenen Frau – dann entscheidet er sich für eine neue Ehe.

Am 12. Oktober 1904 findet in Gallingen die Hochzeit mit Luise Amande Langhals statt, einer Cousine seiner verstorbenen Frau.

Foto: Unser Bartenstein – März 2023

Luise Amande Langhals wird am 10.3. 1884 als Tochter von August Gustav Langhals und Rosa Bertha Lisette Hartmann in Gallingen geboren. Gustav Langhals und Friedrich Langshals – Vater der 1. Ehefrau Franz Teicherts – sind Brüder.

1906 kommt Sohn Erich Teichert zur Welt (+23 Jan 1945 in Kurland) . 1907 wird der Besitz in Gallingen für 59.000 Mark an Herrn Gottschalk aus Reddenau verkauft. Carl Teichert rät seinem Sohn Franz zum Kauf des kleinen Gutes Grauschienen – und dieser folgt seiner Empfehlung. ‚Das Gut kostete 150.00 Mark bei 50.000 Mark Anzahlung. Der Rest wurde finanziert‘.

‚1913 gehörte das adlige Gut mit 140 ha Franz Teichert, der eine Schneidemühle eingerichtet hatte. Von dem Besitz waren 121 ha Acker, 8 ha Wiesen, 5 ha Weiden, 6 ha Wald, 1 ha Hof/Wege. Es standen 25 Pferde, 70 Rinder – davon 30 Kühe – und 20 Schweine auf dem Hof. Verwaltungsmäßig gehört das Gut Grauschienen bis 1928 zum Gutsbezirk Powarschen‘. (Quelle: Horst Schulz, Die Städte u. Gemeinden des Kreises Pr. Eylau) Diese Angaben stimmen allerdings nicht ganz überein mit denen von Franz Teichert selbst, der berichtet, dass er das Gut Grauschienen bereits 1912 für 190.000 Mark an Herrn Scharfenorth verkauft habe.

Um sie auf den Besuch des Gymnasiums vorzubereiten, werden die Teichert-Söhne Emil und Fritz von Lehrer Schmierdke aus Weischnuren zu Hause unterrichtet. Alle drei Kinder werden in eine Pension nach Bartenstein gegeben – die beiden Jungen zu Frau Zier und Paula zu Frau Knoblauch.

‚Da die Kinder in Bartenstein waren, fuhren wir öfter dorthin, das Getreide wurde auch fast alles nach Bartenstein verkauft. Bis dahin waren es 16 km und 4 km war ein sandiger Weg. Gewirtschaftet hat es sich ja ganz gut. Damit sich auch die Schneidemühle verzinste, machte ich noch Lohnschnitt für die Stellmacher von Reddenau und Albrechtsdorf‘.

Die verkehrsmäßig ungünstige Lage des Gutes Grauschienen veranlasst Franz Teichert schließlich dazu, das Gut wieder zu veräußern. Die Familie zieht zunächst nach Bartenstein, von wo aus sich Franz Teichert nach weiteren Kaufobjekten umsieht, die er auch findet … Der Bericht von Franz Teichert ist noch nicht beendet – hier findet man das Heimatblatt der Kreisgemeinschaft Bartenstein, in dem man ihn insgesamt lesen kann.

Besitzer des Gutes Grauschienen ist 1920 Aloys Penkwitt, nach dessen Tod seine Frau Maria, geb. Warkalla. Verwalter und anschließend Pächter Gutes war bis 1945 ihr Bruder Edmund Warkalla.

Quelle: Unser Bartenstein – März 2023

Ergänzungen zu Familie Teichert:

‚Franz Teichert ist am 24. Dezember 1961 nach einem ereignisreichen Leben im gesegneten Alter von fast 95 Jahren sanft entschlafen‘ fügt sein Enkel Dr. Franz-Dietrich Erkwoh (+2022) hinzu – ein Sohn von Tochter Paula, die 1922 den Gutsbesitzer Walter Erkwoh auf Gut Katzenblick heiratete.

Otto Robert Teichert – ein Bruder von Franz T., der 1864 in Grauschienen zur Welt kam, heiratet 1897 in Landsberg, Pr. Eylau Hulda Hermine Krüger aus Glandau, eine Tochter des dortigen Besitzers Ferdinand (Krieger) Krüger und Ehefrau Caroline Hartwich. Ihr Sohn Curt Alwin Teichert, geb. 1898 in Domtau, wandert später nach Brasilien aus.

Bruder Carl Gustav Teichert, geboren 1869 in Grauschienen, ist Besitzer in Reddenau als er er am 14.5.1895 in Landsberg Bertha Marie Krüger heiratet, eine Schwester der o.a. Hulda Hermine Krüger aus Glandau.

Maria Boehnke – Mutter der Teichert-Geschwister und Ehefrau von Carl Teichert – wurde am 20.1.1842 in Canditten geboren und verstarb am 20.2.1891 in Reddenau.

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Im Alter von 9 Jahren aus dem Haus gegeben …

Über Kinderarbeit, die seit Jahrhunderten und bis zum heutigen Tage in vielen Regionen der Welt stattfindet, habe ich viel gehört und gelesen. Immer wieder wurden Versuche unternommen, Kinderabeit zu verbieten – dennoch gibt es sie noch heute. Es wurden Gesetze verabschiedet, die Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben untersagen, aber der Kinderarbeit auf dem Lande wurde kaum Aufmerksamkeit geschenkt.

Ländliche Kinderarbeit fand und findet nicht nur in entlegenen Teilen der Welt statt! Auch unsere Vorfahren – in Ostpreußen und anderswo – kannten solche Kinderarbeit und wenn man sich mit den Lebensumständen der Ahnen beschäftigt, kann man dieses Thema nicht aussparen..

In einem Aufsatz über ‚Landwirtschafliche Kinderarbeit‚, der 1925 in der Zeitschrift ‚Die Frau‚ erschien, schreibt Anna Pappritz: ‚Aus Ostpreußen berichtet ein Kreisarzt: „Die Kinder müssen mit ihren Angehörigen im Sommer 15 Stunden arbeiten“. Ein Lehrer: „Arbeit ab 7 Uhr morgens auf dem Felde, so lange es hell ist; bei Laternenlicht geht es dann im Hause weiter: Kartoffleschälen, Rübenschneiden, Wassertragen.“

Erstmals habe ich bei der Durchsicht von Dokumenten aus dem Kreis Pr. Eylau einen schriftlichen Vermerk darüber gefunden, dass Kinder von Landarbeitern wirklich schon in sehr frühem Alter aus dem Haus gegeben wurden, um mit für den Lebensunterhalt der Familie zu sorgen. Und obwohl ich dies eigentlich wusste, habe ich mich erschrocken …

Traditions=Recess derer sämtl. Graventhien=
schen Güther an den Pfandnehmer Herrn Krieges=
Rath Balthasar Philipp Genge
.
Actum Graventhien vor dem Haupt-Ambt Brandenburg
den 13ten Juli 1750
Graventhien im Kirchspiel Schmoditten

Bei der Übergabe der Graventhienschen Güter an den Kriegsrat Balthasar Philipp Genge am 13. Juli 1750 werden sämtliche Untertanen aus Graventhien und Pieskeim namentlich aufgeführt.

Die zu denen im Haupt-Ambt Brandenburg gelegenen Güthern
Graventhien und Pieskeim gehörige Unterthanen wären folgende, und
zwar in Graventhien:

Auch der Instmann Evert, seine Ehefrau Maria und ihre 5 gemeinsamen Kinder gehören zu dieser Zeit zu den Untertanen des Gutes Graventhien. Allerdings lebt nur der kleine Martin, der um 1744 zur Welt gekommen sein muss und 1750 erst 6 Jahre alt ist, bei seinen Eltern. Bis auf diesen kleinen Sohn wurden alle Kinder aus dem Haus gegeben:

  • Gottfried Evert 18 Jahr dienet im Hofe zu Pieskeim
  • Catharina 15 Jahr dienet im Schmodittschen Nieder-Kruge
  • Michael 9 Jahr dienet bey dem Hirten zu Pieskeim
  • Maria 9 Jahr dienet in Klein Dexen beym Rockel
  • Martin 6 Jahr ist zu Hause

Unglaublich! Michael und Maria Evert sind erst 9 Jahre alt!

Ich frage mich, ob auch einige meiner eigenen Vorfahren ihre Kinder zum Arbeiten aus dem Haus gaben … ? Da aber unter meinen Ahnen kaum Instleute zu finden sind, gehörten sie vielleicht eher zu jenen, die diese Kinder beschäftigten und ausnutzten. Das mag ich mir kaum vorstellen!

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